
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Interesse an Oberschulen steigt
Schulleiter werben für Oberschule / Deutlich mehr Interessenten zum Tag der Offenen Tür als in den Vorjahren
Stand:
Die vor fünf Jahren im Land Brandenburg eingeführte Oberschule findet in Potsdam zunehmend Akzeptanz. „Das Schülertal ist durchschritten“, sagt Wolfgang Buttstädt, stellvertretender Schulleiter der Käthe-Kollwitz-Oberschule. Zum Tag der offenen Tür am Samstag kamen circa 70 Eltern mit ihren Kindern, die in diesem Jahr die Grundschule beenden. Das sind dreimal so viele wie in den Vorjahren. Auch an der Fontane-Oberschule in der Waldstadt, in der von der ersten bis zur zehnten Klasse unterrichtet wird, herrschte am Samstag Andrang. Oberschulen galten bislang in Potsdam als die Verlierer des sogenannten Ü 7-Verfahrens, bei dem sich Grundschüler für eine neue, weiterführende Schule entscheiden. Von einst acht Oberschulen gibt es nur noch vier – und die hatten in den letzten Jahren deutlich weniger Anmeldungen als Kapazitäten.
Beim Vortrag von Schulleiter Werner Lindner waren am Samstag allerdings fast alle Stühle in der Aula besetzt. Und anschließend standen die Eltern vor seinem Dienstzimmer Schlange, um einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Über die wahre Situation macht sich Lindner jedoch keine Illusionen. „Die Oberschule gehört nicht zu den Schulformen, die bevorzugt angewählt werden“, schenkt er den Eltern reinen Wein ein. Anhand der Unterrichts- und Freizeitangebote macht er jedoch gleichzeitig klar, dass den Kindern und Jugendlichen hier alle Entfaltungsmöglichkeiten offen stehen. Und: „Da ist der Klassenverband und das soziale Miteinander, das in den Altersstufen ab der siebten Klasse so wichtig ist“. In diesem Rahmen könnten sich die Schülerinnen und Schüler orientieren, über welche Begabungen sie verfügen und wie sie diese weiter entwickeln können. Ein großes Plus seien Berufsvorbereitung und Praxisbezug. Dazu gehören das Praxislernen in einem selbst gewählten Unternehmen in der Klasse 9 sowie die Praktika im Ausbildungszentrum Götz. „Die Schüler, die uns im Unterricht manchmal zur Verzweiflung bringen, leben im Praktikum geradezu auf“, erzählt Buttstädt.
Die meisten Eltern wollen wissen, ob ihr Kind bei entsprechender Befähigung die Chance hat, in eine Schule mit Abiturstufe zu wechseln. Das sei kein Problem, erläutert Lindner. In jedem Jahrgang würde „eine Handvoll“ Schüler diesen Weg gehen. Die Oberschule in der Clara- Zetkin-Straße 11 befindet sich in einem Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Gebäude. Am Eingang zum Schulhof hängt heute noch das bis 2005 gültige Schild „Realschule“. Auf 80 Plätze gab es zu Realschulzeiten 120 Bewerbungen. Mit der Oberschule kam der Einbruch, es gab kaum noch Erstbewerbungen. Die Eltern wussten mit dem Begriff Oberschule wenig anzufangen. Das scheint sich zu ändern. Viele Eltern scheinen damit zu rechnen, dass ihre Kinder an den „Edelgesamtschulen Voltaire und Lenné“, Wolfgang Buttstädt, abgelehnt werden. Dann nämlich müssen sie unter vorgegebenen Angeboten wählen oder erhalten eine Schule zugewiesen. Die meisten kommen nicht aus der unmittelbaren Umgebung der Brandenburger Vorstadt, sondern aus ganz Potsdam und dem Landkreis. „Einige fahren jeden Tag mit dem Zug in die Landeshauptstadt“, berichtet Lindner.
Vor drei Jahren entstand trotz geringer Anwahlzahlen die absurde Situation, dass eine zusätzliche Klasse eingerichtet werden musste, um alle zweimal abgelehnten Schüler aufnehmen zu können. Schulleiter Lindner sieht das nicht als schwer wiegendes Problem. „Jeder Schüler ist ein begabter Schüler“, sagt der Pädagoge. Es gelte nur herauszufinden, auf welchem Gebiet. Günter Schenke
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: