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Weiter aktiv. Günter Esser.

© Andreas Klaer

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Der Psychologieprofessor Günter Esser geht in den Ruhestand. Die Uni Potsdam richtete für ihn ein Abschiedssymposium aus

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Stillstand gibt es für Günter Esser auch nach seiner Verabschiedung von der Universität nicht. Das machte der Psychologe bei dem Symposium deutlich, das die Universität zu seinem Abschied gab. Er werde weiterhin Leiter des Instituts bei der Universität bleiben und als Psychotherapeut arbeiten, sagte Esser. Habe er sich bisher therapeutisch nahezu ausschließlich mit Kindern und Jugendlichen befasst, so werde er sich künftig möglicherweise auch Erwachsener annehmen.

„Es bedurfte schon einiger Weitsicht, als Professor Esser nach Potsdam kam, um das Potenzial der Universität zu erkennen“, sagte Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD). 1995 kam Esser nach Potsdam. Als Direktor der Akademie für Psychotherapie und Interventionsforschung, Leiter der Psychotherapeutischen Ambulanz und des Zentrums für Lerntherapie hat Esser die Hochschule zu einem Zentrum der Kinder- und Jugendlichenpsychologie gemacht. Bereits zuvor hatte er an breit angelegten Forschungsstudien mitgewirkt, die erhebliche Fortschritte in der Entwicklungspsychologie von Kindern erzielten. Kunst, einst selbst Uni-Präsidentin, hob Essers Forschung zu Hochbegabten sowie zur Lese- und Rechtschreibschwäche hervor. Die sei bahnbrechend gewesen. Esser untersuchte, wie sich psychosoziale- und organische Risiken, die im frühen Kindesalter bestehen, auf die Entwicklung von Kindern in der Grundschule und weiterhin auswirken. Während heute die Forschung zur Kinder- und Jugendpsychologie ein anerkanntes Forschungsgebiet ist, beschäftigten sich in den 1980er- und 1990er-Jahren nur wenige Psychologen intensiv mit dem Bereich, so Kunst. Wichtig sei auch, dass Esser die Vernetzung der Psychologie mit der Biologie und anderen Naturwissenschaften vorangetrieben habe.

Es gebe wenig gesicherte Kenntnisse über die Zusammenhänge von Hirnstruktur und Psyche von Kindern, gerade deshalb sei es wichtig, verstärkt in diesem Bereich zu forschen, betonte die Psychologin Nina Heinrichs von der Universität Braunschweig. Auch sie untersucht die Folgen der Vernachlässigung von Kindern im Vorschulalter und setzt so den Studienansatz Essers fort. „Die Entwicklung eines Kindes muss als Reise begriffen werden“, so Heinrichs. Die Forschung hätte mittlerweile erkannt, dass die Eltern und Lehrer bei lernbehinderten und schwierigen Kindern stetig begleitet werden sollten. Entscheidend sei es, wie die Mutter auf das Kind eingehe. „Die Mutter lernt bei uns in der Therapie, dem Kind zu folgen und keine Anweisungen zu geben“, schildert Heinrichs den Therapieansatz. Mit seinen Arbeiten habe Esser Grundlagen gelegt und international Beachtliches bewirkt.

Neben seiner Lehrtätigkeit bei der Ausbildung von Therapeuten und Psychologen war Esser immer auch als praktischer Psychologe tätig. Das sei ihm auch sehr wichtig gewesen, betonte der langjährige Leiter der Psychotherapeutischen Ambulanz. So überrascht es kaum, dass der vielseitig tätige Wissenschaftler im Jahre 2007 zudem den Vorsitz der Ethikkommission der Universität übernahm. Hier befasste er sich auch mit Forschungsanträgen, die physiologische und psychologische Studien zu Frühgeborenen und Kleinstkindern ermöglichten. Das sei in Deutschland noch immer ein schwieriges Gebiet. Daher sei er froh, dass sich Potsdam auch hier habe profilieren können. Durch Esser vorangetriebene Studien waren es dann auch, die ein neues Licht auf lange bekannte Krankheitsbilder warfen. Die Neudefinition des Autismus zählt dazu.

Der Psychologe hat auch die aktuell viel diskutierten Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) untersucht. „Das ist eine Modekrankheit“, so sein Statement. Dementsprechend werde die Krankheit zwar recht häufig diagnostiziert. Tatsächlich aber liege wohl nur in einer weit geringeren Zahl von Fällen eine entsprechende psychische Erkrankung vor. Esser verweist auf aktuelle Meldungen der amerikanischen Pharmaindustrie. Die zeigt sich alarmiert, weil in den vergangenen beiden Jahren der Verbrauch von Methylphenidat in Deutschland leicht zurückgegangen ist. Weltweit werden jedes Jahr rund 80 Tonnen des Wirkstoffes verarbeitet, der sich in Medikamenten findet, die bei der Behandlung von ADHS zum Einsatz kommen. „Dabei ist das kein Aspirin. Das ist ein sehr starkes Mittel“, betont Esser. Deshalb müsse ADHS umso gründlicher diagnostiziert werden, bevor entsprechende Arzneien verabreicht würden: „Die Einschätzung von Lehrern sind da oft ungenau“. Meist sei es gut, mehr und individueller auf das Kind einzugehen.

Neben seiner Tätigkeit an der Universität hat sich Esser auch als forensischer Psychologe einen Namen gemacht und bei zahlreichen Kriminalfällen Gutachten über die Täter erstellt. Er befasste sich mit dem ehemaligen Minister Jochen Wolf, der einen Auftragsmord an seiner Ehefrau verüben wollte. Franziska S., die 2009 beschuldigt wurde, ihre Zwillinge getötet zu haben, war ebenso Gegenstand seiner Untersuchungen. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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