Von Henri Kramer: Interne Umfrage: Unzufriedenheit im Klinikum Klinikspitze: Ergebnisse so nicht bekannt / Kritik
an Betriebsklima, Überstunden und Fortbildung
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Im Klinikum „Ernst von Bergmann“ herrscht in vielen Bereichen ein schlechtes Betriebsklima. Dieser Vorwurf ist jetzt belegt: Den PNN sind anonym Auszüge einer Umfrage zugespielt worden, die der Betriebsrat in Potsdams größtem kommunalen Unternehmen im Juni 2009 durchgeführt hat. Die Ergebnisse der Befragung von 958 Klinikmitarbeitern – quer durch die Berufsgruppen, in Tabellenform aufgelistet, mit offiziellem Briefkopf des Klinikums versehen – bestätigt jene, die bereits damals Kritik an den Arbeitsbedingungen in dem Unternehmen übten. Insgesamt besitzt das Klinikum rund 2000 Mitarbeiter.
Laut Umfrage fanden vor einem dreiviertel Jahr rund zwei Drittel der Befragten das Betriebsklima „nicht“ oder „gar nicht“ gut. 30 Prozent enthielten sich der Stimme, vier Prozent bescheinigten ein positives Klima – und nur ein Befragter kreuzte den „sehr gut“-Wert an. Rund 60 Prozent der Befragten gaben an, dass der Arbeitgeber „nicht“ oder „gar nicht“ reagiere, wenn auf Probleme hingewiesen würde. Der gegenteiligen Meinung waren acht Prozent. Ähnliche Einschätzungen traf das Personal für das Interesse der Klinikspitze an den Arbeitsumständen im Haus und für die Frage, ob das Thema „Überlastung“ von der Geschäftsführung ernst genommen werde. „Berufsfremde“ oder „delegierbare“ Tätigkeiten mussten der Umfrage nach knapp zwei Drittel der Beschäftigten „häufig“ übernehmen, bei den Ärzten sind es sogar 73 Prozent.
Im Klinikum lösten Nachfragen zu den Umfrageergebnissen gestern unterschiedliche Reaktionen aus. Klinikum-Chef Steffen Grebner erklärte, die Ergebnisse der Umfrage seien ihm „so“ nicht bekannt. Er zweifele die den PNN vorliegenden Daten an. Zugleich wolle er lieber in die Zukunft, als in die Vergangenheit sehen, so Grebner. Gabriele Barthelmes vom Betriebsrat – die Grebner für das Interview mit den PNN zu sich gebeten hatte – sagte lediglich, es habe eine Umfrage „stattgefunden“, die allerdings nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei. Der Betriebsrat wolle die vorliegenden PNN-Daten weder dementieren noch bestätigen, hieß es.
Reizthemen waren der Umfrage nach im Juni 2009 besonders die Bereiche Stationsbesetzung, Überstunden und Fortbildung. So hielten damals zwei Drittel der Ärzte und knapp 80 Prozent der Pfleger die Personalausstattung in ihren Stationen und Abteilungen für „nicht“ oder „gar nicht“ ausreichend. 45 Prozent erklärten, sie würden mehr oder weniger „regelmäßig“ Überstunden leisten. Dabei war der Anteil im ärztlichen Fachpersonal besonders hoch, hier bestätigten 82 Prozent regelmäßige Mehrarbeit. Knapp die Hälfte des Personals gab laut der Umfrage zudem an, ihre Überstunden würden nicht vom Arbeitgeber erfasst.
Den Bereich Fortbildung sahen nur 22 Prozent der Befragten als „gefördert“, beim ärztlichen Personal waren es 33 Prozent. Zwei Drittel der Klinik-Mitarbeiter wiederum gaben an, dass für die Anleitung von Auszubildenden nicht genügend Zeit bleibe. Letztlich dachten laut der Umfrage schon 306 der 958 Befragten darüber nach, wegen der Arbeitsbedingungen den Arbeitgeber zu wechseln. Unentschieden antworteten 206 Beschäftigte, keine Antwort gaben 59. Immerhin 40 Prozent äußerten nicht die mögliche Absicht, sich eine neue Stelle zu suchen.
Seit einigen Jahren sind die Arbeitsbedingungen im Klinikum immer wieder in den Schlagzeilen. Vor einer Woche hatte der Betriebsrat des Klinikums an Stadtverordnete einen kritischen Brief zur Situation der Beschäftigten des Hauses ausgeteilt. Die Vorwürfe wurden von der Klinikspitze nur zum Teil bestritten: Man arbeite an der Situation. Zudem sei für dieses Jahr eine eigene Mitarbeiter-Umfrage in Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam geplant, so die Hausleitung. Wie berichtet droht zudem ein Streik bei der Kliniktochter Service-Gesellschaft.
Zugleich bestätigte das Landesamt für Arbeitsschutz den PNN, dass das Klinikum „im Rahmen unserer Aufsichtstätigkeit“ überprüft worden sei. „Es sind umfassende Maßnahmen festgelegt worden“, sagte Katarina Weisberg, Bereichsleiterin der Arbeitsschutzbehörde: Den Inhalt dürfe sie aber nicht nennen.
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