Landeshauptstadt: Intransparent, inkonsequent
Wieder ein Fall Bauherr gegen Denkmalschützerin / Ein Besuch im Potsdamer Denkmalamt
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Nauener Vorstadt - Akten liegen verstreut auf den kleinen Büroablagen der Denkmalpflegerin in der Lindenstraße. Als hätte Professor Ulrich Battis mit seinem Untersuchungsteam gerade den Raum verlassen. Als seien sie liegengeblieben von den Unruhen in der Bauverwaltung. „Villa Henckel“ steht auf einem der Ordner handschriftlich – ein bekanntes Potsdamer Bauvorhaben mit einem prominenten Investor. Ein Fall für Battis?
Detlef Scheithauer, als Bauherr in die Räume der Denkmalschützerin gerufen, kann nicht wissen, welche Akten „gebattist“ worden sind. Aber er weiß, was in den letzten Wochen zu den Vorwürfen in der Zeitung stand. Beispielsweise, dass die Auflagen der Denkmalschützer oft nicht nachvollziehbar sind und ohne jedwede Grundlage gestellt werden. Auch Scheithauer fühlt sich ungerecht behandelt, bemängelt die fehlende Nachvollziehbarkeit von Auflagen und liegt im Streit mit den Hütern der Geschichte und des guten Geschmacks. Mehrere Einsprüche hat er gegen die Auflagen der Denkmalpflege eingelegt. In der letzten Woche nun hat Scheithauer ein anderes Bild des Denkmalschützers kennen gelernt.
Dabei muss sich der Denkmalschutz mit seinem Bauprojekt nur bedingt auseinandersetzen. Denn der Verkaufsleiter eines schwedischen Hausbauunternehmens baut auf einem freien Grundstück in der Nauener Vorstadt – direkt gegenüber der Grundschule und der KGB-Gedenkstätte. Ein Neubau soll es sein. Doppelhaus. Im schwedischen Stil. Mit Holzfassade und Krüppelwalm. Ein Dach also, bei dem die beiden Giebel abknicken. Ansonsten würden die gesetzlich vorgeschriebenen Abstände zum Nachbargrundstück nicht eingehalten.
Nein, sagt die Bereichs-Denkmalpflegerin, die seit einem Jahr die Nauener Vorstadt betreut. Das Dach sei untypisch für diese Gegend – also auch untypisch für einen Neubau. Doch kurze Zeit später genehmigt sie die Dachform an dem Neubau. Was war passiert? Scheithauer hat an Nachbarhäusern geguckt, was für die Gegend typisch und untypisch ist. Gefunden hat er alle möglichen Formen. Auch Krüppelwalmdächer – unter anderem an einer Seite der historischen Villa Lepsius.
Für den Bauherren stellte sich danach die Frage, auf welcher Grundlage werden in dieser Verwaltung Entscheidungen gefällt? Es wirke willkürlich, sagt Scheithauer. Zudem intransparent und ohne Gesetzesgrundlage. Genau die Vorwürfe, die Ulrich Battis seitenweise in seinem Bericht über den Zustand der Bauverwaltung anprangert, erlebt der Investor. Noch vor der Zeit, als Günther Jauch bei einer Auszeichnungsveranstaltung die Willkür in der Verwaltung öffentlich kritisiert und eine Welle in Bewegung setzt, von der noch keiner weiß, wann sie abflacht.
Detlef Scheithauer hat für seinen Neubau zehn Auflagen des Denkmalschutzes in der Baugenehmigung der Stadt Potsdam vom 28. Februar 2007 stehen. Beispielsweise, dass er möglichst „roten oder rotbraunen, unglasierten Tonziegel, vorzugsweise ein Tonbiberschwanzziegel oder einen vergleichbaren flachen Ziegel“ für sein Dach verwenden soll. Oder, dass die Dachfenster nicht zur Straßenseite zeigen dürfen und die Farbe des Hauses zwingend mit dem Denkmalschutz abzustimmen ist. Zwischenzeitlich waren Bauherr und Verwaltung derart zerstritten, dass nur noch feststand: Ein Haus wird gebaut. Die zuständige Denkmalschützerin hatte etwas gegen die Holzfassade, das Krüppelwalmdach, weiße Fensterrahmen, weiße Türen, gegen die Ziegelform fürs Dach, gegen die Farbe der Dachrinnen und gegen die Farbe des Hauses. Die Nummernkombination, die sich Scheithauer als Farbe ausgesucht hatte, war in Wirklichkeit ein Ocker-Ton. Zu grell, erklärte die Denkmalschützerin – und wurde von ihrem eigenen Kollegen korrigiert.
Von Rainer Roczen, der durch ein Interview mit Günther Jauch bekannt wurde. Jauch hatte in einem PNN-Interview erklärt, dass er zu einem Mitarbeiter der Denkmalpflege unheimliches Vertrauen hätte. Er rufe nur eine Farbzahl zu, und so lässt Jauch das Haus dann streichen. Zuletzt war das Schlüpferrosa. Jauch hat es gefallen.
Nun sitzt Farbspezialist Rainer Roczen Bauherr Scheithauer gegenüber. Wochenlang stritt er mit der Denkmalpflegerin, legte Widersprüche gegen ihre Entscheidungen ein und war bereit, alle Kämpfe juristisch auszufechten.
Die ersten Worte Roczens wirkten dabei entwaffnend, weil respektvoll und ehrlich: Es sei ein Neubau, rechtlich könne er nichts vorschreiben. Er sei hier, um den Bauherren zu beraten. Eine Zauberformel – denn beratungsresistent wirkt Scheithauer nicht. Roczen empfiehlt Farbkombinationen, lässt sich den Neubau samt Standort beschreiben und wahrt selbst dann die Suche nach einem Kompromiss, als Scheithauer und die Denkmalpflegerin erneut aneinandergeraten. Roczen sagte aber auch: Weil alle Bauherren juristisch gegen die Verwaltung vorgehen, sieht die Stadt an manchen Stellen so zerfahren aus wie sie aussieht. Scheithauer sagte danach: Wenn alle Mitarbeiter so wären wie Rainer Roczen, gebe es wahrscheinlich weniger Klagen. Er zumindest hat sich bei der Farbwahl beraten und beeinflussen lassen.
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