Landeshauptstadt: Invasion der Steppenhühner
Naturkundemuseum öffnet in der Reihe „Blick in die Archive des Lebens“ seine Sammlungen
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Im Jahr 1888 flogen aus unerklärlichen Gründen etwa 100 000 Vögel nach Brandenburg ein, die bei uns eigentlich nichts zu suchen haben: Steppenflughühner, die in den Weiten Zentralasiens zu Hause sind. Einen dieser mittelgroßen, recht unscheinbaren Vögel konnte Werner Gottschalk am Donnerstagabend zum Auftakt einer Reihe zeigen, in der das Naturkundemuseum Einblicke in seine Sammlungen geben will. Dort befinden sich nicht weniger als 250 000 Objekte, davon allein 22 000 Vögel.
Das Steppenflughuhn von 1888 ist eine der Raritäten, die der als Präparator international bekannte Museumsmitarbeiter dem Publikum vorstellen konnte. Eindrucksvoll auch die Sammlung von Großtrappen, die ältesten Präparate aus den 1970er Jahren, als sich Europas größter flugfähiger Vogel noch ohne menschliche Hilfe in der Mark Brandenburg behaupten konnte, die jüngeren aus der Aufzuchtstation Buckow, die Trappen großzieht und wieder auswildert.
Neben solchen attraktiven Schaupräparaten liegen in den Schränken auch Bälge, Skelette, Eier und Nester. Sie sollen nicht in Ausstellungen die Blicke auf sich ziehen, sondern dokumentieren über viele Jahrzehnte die Veränderungen der brandenburgischen Vogelwelt. Dabei bemüht sich das Museum, diese Entwicklungen möglichst komplett zu erfassen. Dazu werden keine Tiere geschossen, sondern ausschließlich tot aufgefundene – meist Verkehrsopfer – präpariert. Helfer sind die Naturschutzstationen; aber auch jeder Bürger kann dazu beitragen, in dem er Todfunde an das Museum meldet. Sie werden dann begutachtet und gegebenenfalls in die Sammlung aufgenommen. Die Klimaerwärmung, erläuterte Gottschalk, macht sich im Artenspektrum der Vogelwelt noch nicht so bemerkbar, bei den Insekten aber schon, wo zahlreiche südländische Arten, darunter prachtvolle Libellen, unsere Heimatregion erobern.
Werner Gottschalk erwähnte bei seinem Rundgang den zu früh verstorbenen Manfred Feiler, der ab 1956 die Ornithologische Sammlung der damals dem Heimatmuseum angeschlossenen naturkundlichen Abteilung aufgebaut hat. Er hatte es schwer, denn die Vorkriegsbestände waren 1945 bei der Bombardierung des Stadtschlosses vernichtet worden. Umso mehr kann das Museum darauf stolz sein, dass es heute nicht nur auf dem Gebiet der Ornithologie, sondern auch bei Säugetieren, Insekten, Mineralien eine auf 250 000 Exemplare angewachsene Sammlung besitzt. Allein 2006 und 2007 kamen durch Neuerwerbungen, Übernahmen und Schenkungen 23 000 Stücke hinzu. Als nächstes soll die Sammlung von Krebsen und Mollusken erweitert werden. Für die Fortsetzung der Reihe „Ein Blick in die Archive des Lebens“ öffnet sich also eine Fülle von Möglichkeiten. Thema könnte beispielsweise der Fischotter sein, dessen Dokumentation durch Präparate sich das Naturkundemuseum im Auftrag des Landesumweltamtes besonders zuwendet. Da die Premiere leider nur eine geringe Publikumsresonanz fand, will die Museumsleitung günstigere Termine und Uhrzeiten prüfen. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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