Landeshauptstadt: Invasion des Runzligen Obstbaumsplintkäfers
Gehölze in der Russischen Kolonie weisen massiven Schädlingsbefall auf / Rund 70 Fällungen nötig
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Jägervorstadt - Die Übeltäter heißen Scolytus rugulosus und Scolytus mali. Oder ganz prosaisch: Runzliger Obstbaumsplintkäfer und sein mit bis zu vier Millimetern etwas raumgreifenderer Vetter, der Große Obstbaumsplintkäfer. Doch die putzig klingenden Namen täuschen – die Schäden, die die kleinen Insekten an ihren Wirten anrichten, können tödlich sein. Für rund 70 Bäume im Unesco-Weltkulturerbe der Russischen Kolonie Alexandrowka ist das jetzt der Fall. Für sie blieb nur noch die Säge.
„Wir waren richtig erschrocken, als wir den Käferbefall im letzten Jahr entdeckt haben“, erzählt Hans-Jürgen Wilhelm von Fachbereich Grünflächen. Quer durch die Kolonie, auch auf dem Grundstück des Oberbürgermeisters, hat es Obstbäume erwischt. Die Taktik des Winzlings ist tückisch: Erst bohrt er kleine Gänge unter die Baumrinde, dann legt er darin seine Larven ab, die Ende April schlüpfen und sich dann am Jungobst gütlich tun. Nach und nach wird der Baum hohl und morsch, schließlich stirbt er ab. Wilhelm schneidet mit einem Messer ein Stück Rinde ab. „Den Baum haben wir erst 2009 gepflanzt“, sagt er mit Bedauern in der Stimme.
Seine fünf Mitarbeiter werfen inzwischen Zweige und Äste bereits gefällter Bäume auf einen Scheiterhaufen. „Das muss alles rückstandslos verbrannt werden“, sagt Wilhelm. Nur so lasse sich sicherstellen, dass die Larven vernichtet werden. Gestern hat das Grünflächenamt mit der Aktion begonnen, die sich noch über drei bis vier Tage hinziehen wird. Vor allem Pflaumen und Birnenbäume haben sich die Käfer ausgesucht. Im Durchschnitt haben die Bäume, die nicht mehr zu retten sind, schon um die 40 Jahre auf dem Buckel, meint Wilhelm. Ältere blieben weitgehend verschont, die seien widerstandsfähiger.
Von der aktuellen Käferinvasion wurden offenbar auch die Experten überrascht. Zwar habe man in der Alexandrowka immer mal wieder mit dem Splintkäfer zu tun gehabt, aber nicht in dieser Häufung. Nun sollen die Bäume regelmäßig auf den Käferbefall kontrolliert werden. Doch auch jetzt ist man noch halbwegs glimpflich davongekommen. Befallen ist mit etwa 100 Bäumen nur ein Zehntel des gesamten Obstbaumbestandes der Kolonie. Für ein gutes Drittel davon ist es noch nicht zu spät, weil sich die Käfer dort noch nicht ausgebreitet haben. „Da müssen wir jetzt aber mit der chemischen Keule ran“, bläst Wilhelm zum Gegenangriff. „Karate Forst flüssig“ heißt das Insektizid, mit denen den Larven der Garaus gemacht werden soll.
Im Frühjahr will das Grünflächenamt die gefällten Bäume durch Nachpflanzungen ersetzen. Dennoch ist der entstandene Schaden – unabhängig vom materiellen Wert der Bäume – noch gar nicht abzuschätzen. Schon seit Jahren bemühen sich Obstkundler, Landschaftsgärtner und Denkmalpfleger, die Obstgehölze der 1826/27 auf Befehl Friedrich Wilhelms III. erbauten Russischen Kolonie nach historischem Vorbild wieder zusammenzutragen. Quer durch die Republik wurde und wird dabei nach teils schon fast verschwundenen Obstbaumsorten gefahndet. Peer Straube
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