
© Andreas Klaer
Von Günter Schenke: Inwole: „Zu uns kann jeder kommen“
Umweltbildungsstätte im Projekthaus Babelsberg eröffnet / Neubau geplant / Hilfe für Migranten
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Babelsberg – Eine für Potsdam einzigartige Einrichtung gibt es in der Rudolf-Breitscheid-Straße 164: Auf einem über 6000 Quadratmeter großen Gelände mit einer einstigen Fabrikantenvilla verbergen sich Wohnungen, mehrere Werkstätten, Gästeräume sowie Vereinssitze. „Zu uns kann jeder herkommen“, lädt Holger Zschoge ein. Der Gymnasiallehrer ist einer der beiden Koordinatoren des Projekt- und Werkhauses. Seine Einladung gilt unter anderem für die Mitarbeit in der Holz-, Fahrrad- und Keramikwerkstatt. Am Samstag nun kam eine Umweltbildungsstätte hinzu.
„Wir haben die Immobilie vor fünf Jahren von einer Wohnungsbaugesellschaft gekauft“, sagt Zschoge. Getragen wird das Projekt vom Verein zur Förderung innovativer Wohn- und Lebensformen (Inwole). Zschoges Projektpartner, der 34-jährige Christian Theuerl, fungiert als Geschäftsführer. Dieser berichtet, dass das Projekt- und Werkhaus „basisdemokratisch“ funktioniere. Zur Kernmannschaft gehörten 25 Personen, die alle ehrenamtlich als Fachberater im Haus tätig seien. Jeden Montag gebe es eine „Zusammenkunft im Plenum“, auf der die anstehenden Entscheidungen gemeinschaftlich abgestimmt werden. Gefördert wird das Projekt unter anderem von der Bundesregierung im Rahmen des Programms für Mehrgenerationenhäuser. In den Bestandsgebäuden wohnen derzeit 17 Menschen, auch Theuerl. Es sollen mehr werden: Ein geplanter, energetisch als Passivhaus konzipierter Neubau auf dem Grundstück sei für Familien vorgesehen. Lehrerfamilie Zschoge wohnt mit ihren drei Kindern derzeit noch im Kirchsteigfeld.
Zur Eröffnung der Umweltbildungsstätte – gefördert mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung – erging an Schulen und Kindertagesstätten die Einladung, die Angebote im Werkhaus zu nutzen. „Von der Fahrradreparatur über Tischler- und Töpferarbeiten bis zur Naturbeobachtung ist für jeden etwas dabei“, sagt Zschoge. Der Pädagoge spricht sich gegen das Streben nach „Mehr, Billiger und Größer“ in der Gesellschaft aus. Das stetige Wachstum gehe auf Kosten der Umwelt. „Immer mehr Menschen spüren, dass etwas nicht stimmt.“ Das Werkhaus wolle Alternativen bieten: Mit natürlichen Materialien arbeiten, reparieren statt wegwerfen, Kreatives mit eigenen Händen schaffen, Brot backen im Backhaus auf dem Hof. Zugleich ruft der Inwole-Verein im Internet dazu auf, die aktuellen Proteste gegen eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken zu unterstützen: „Atomkraft – nein Danke!“
Das Haus bietet aber noch mehr: Migranten können in den Werkstätten an berufsvorbereitenden Maßnahmen teilnehmen. Die Integrationsbeauftragte der Stadt, Magdolna Grasnick, hat daher aus ihrem Etat einen finanziellen Beitrag für die Werkstatt-Sanierung beigesteuert. „Es geht besonders um Asylbewerber, die bekanntlich nicht arbeiten dürfen“ , sagt die Koordinatorin des Integrationsprojekts, Anke Gutermuth, ebenso Mitglied im Inwole-Verein.
Die 1897 erbaute Villa des Vereins war einst Sitz des Fabrikanten der Berliner Mechanischen Netzfabrik und Baumwollzwirnerei, Franz Klinder. Es war die größte europäische Fischnetzfabrik. In der DDR diente die Villa unter anderem als Ledigenwohnheim für zeitweise 50 Männer des Warenkontroll- und Zollverkehrs. Bis Mitte der neunziger Jahre war sie Sitz der Gewoba-Verwaltung. Neben dem Inwole-Verein haben in der Rudolf-Breitscheid-Straße 164 heute der Verein Opferperspektive sowie der Flüchtlingsrat Brandenburg ihren Sitz.
Informationen zum Projekthaus unter Tel.: (0331) 70 44 27 25 oder im Internet unter www.foerderverein-inwole.de
Günter Schenke
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