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Aus dem GERICHTSSAAL: Ist Gerd blau, sieht er bei grünen Uniformen rot

Angeklagter leidet unter einer Persönlichkeitsstörung / Acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung

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Aus dem GERICHTSSAALAngeklagter leidet unter einer Persönlichkeitsstörung / Acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung „Der Himmel ist mein Haus. Ich bin freischaffender Künstler und habe keine Kinder, weil ich aufpasse“, antwortet Gerd G. (40, Name geändert) auf die Fragen des Richters zu seiner Person. Seit dem 1. März sitzt der Obdachlose allerdings in Untersuchungshaft. Zu seiner Verhandlung wegen Widerstandes gegen Polizeibeamte, versuchter Körperverletzung und Beleidigung wird er in Handfesseln vorgeführt. „Die können Sie meinem Mandanten ruhig abnehmen“, meint der Verteidiger. Kurz darauf springt Gerd G. auf, beschimpft den Staat und die Justiz, sieht sich als Stasi-Opfer und Kämpfer für die Gerechtigkeit. „Setzen Sie sich hin, es reicht“, mahnt der Anwalt. Doch der gelernte Waggonschlosser ist nicht zu bremsen. Schließlich gelingt es dem Vorsitzenden, das psychiatrische Gutachten zu verlesen. Aus dem geht hervor, dass der Alkoholabhängige unter einer schizoaffektiven Psychose mit deutlich gestörtem Realitätsbezug, Wahnvorstellungen und Stimmungsschwankungen leidet. Auch eine eingeschränkte Frustrationsschwelle sowie Gewalttätigkeit gehören zum Krankheitsbild von Gerd G. In der Klinik, wo darauf geachtet wurde, dass er seine Medikamente nahm, ging es ihm gut. Als der Mann ins betreute Wohnen sollte, zog er es vor, unter freiem Himmel zu schlafen. An seine Pillen dachte er nicht. Die Krankheit brach erneut aus. „Die Chefärztin, die mich begutachtet hat, hat auch Frank Schmökel untersucht“, berichtet Gerd G. voller Stolz. „Ist “ne schöne Frau.“ Dann bekennt er sich schuldig, am 4. August 2004 vor einem Lokal im Holländischen Viertel versucht zu haben, gegen den Kopf eines Polizisten zu treten, der ihn in Gewahrsam nehmen wollte. Auch die Beleidigung von BGS-Beamten, die ihn im Februar dieses Jahres festnahmen, die Schläge und Tritte in ihre Richtung gibt er zu. Beide Male hatte er über zwei Promille Alkohol im Blut. „Wenn mein Mandant betrunken ist und grüne Uniformen sieht, rastet er aus“, so der Verteidiger. Daran hätten auch vier Jahre Maßregelvollzug nichts geändert. „Mit klarem Kopf ist er aber ein ganz Netter. Dann bringt er meinen Sekretärinnen Blumen und Sekt. Manchmal kommt er allerdings auch in die Kanzlei, um sich Geld zu borgen, weil er seins für Blumen und Sekt für meine Damen ausgegeben hat.“ „Ich habe aber immer alles zurückgezahlt“, meldet sich Gerd G. zu Wort. Dann bittet er das „Hohe Gericht der Bundesrepublik Deutschland“ um eine letzte Chance. Der Richter verurteilt den u.a. wegen Sachbeschädigung, Vollrausches, Bedrohung, Körperverletzung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte Vorbestraften zu acht Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung. gh

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