Landeshauptstadt: Jakobs contra Scharfenberg
Am Ende des Wahlkampfes bekam der Linke eine Schnuppermitgliedschaft der SPD geschenkt
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Zum Abschluss bekam Hans-Jürgen Scharfenberg sogar eine Schnuppermitgliedschaft der SPD angeboten. Weil der Spitzenkandidat der Linken innerhalb weniger Tage vier Wahlveranstaltungen der Sozialdemokraten besuchte, hat der Potsdamer SPD-Chef Mike Schubert ihm gestern den entsprechenden Antrag überreicht. Es war das Schlusslicht eines Wahlkampfes, den die zwei wohl mächtigsten Kommunalpolitiker der Landeshauptstadt bestimmt haben: Oberbürgermeister Jann Jakobs und Hans-Jürgen Scharfenberg.
Wenn am Sonntag in Brandenburg neue Kommunalparlamente gewählt werden, steht Potsdam besonders im Fokus. Die Frage ist hier, ob die Linke ihre Hausmacht verteidigen und erneut die meisten der dann 56 Mandate in der Stadtverordnetenversammlung erringen kann. Das wäre besonders bemerkenswert. Denn die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt.
Potsdam erfreut sich einer ungebremsten Zuwanderung. Vor allem Besserverdienende ziehen in die Stadt mit ihren Seen, Schlössern und Parks. Um nach Potsdam zu kommen, ist auch ein einigermaßen gutes Einkommen nötig: Nettokaltmieten von zehn Euro je Quadratmeter sind keine Seltenheit. Durch die fortschreitende Sanierung beliebter Stadtviertel wie Potsdam-West, Babelsberg und barocke Altstadt werden Geringverdiener verdrängt. Preiswerte Wohnungen sind praktisch kaum noch zu haben. In den Villenvierteln ohnehin nicht. Am Heiligen See, am Neuen Garten oder am Griebnitzsee wohnen heute unter anderen Fernsehmoderator Günther Jauch, Modedesigner Wolfgang Joop und Springer-Vorstand Mathias Döpfner. Die Stadt ist bürgerlich geprägt, und dennoch stellt die Linke die stärkste Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung. Bei der Kommunalwahl im Jahr 2003 hatte die damalige PDS fast 34 Prozent erreicht. Die SPD kam auf knapp 23 Prozent, die CDU erzielte 19 Prozent.
Den Oberbürgermeister stellt jedoch seit den 90er Jahren die SPD. Zwischenzeitlich übte der heutige Ministerpräsident und SPD-Landeschef Matthias Platzeck das Amt aus. Seit 2002 ist Jakobs der Rathauschef. Der Stachel sitze bei Scharfenberg tief, behaupten Beobachter. Der Linke-Politiker nutze jede Gelegenheit, es seinem Widersacher schwer zu machen und sich selbst zu profilieren.
Bei der Wahl am Sonntag hat Jakobs nun Scharfenberg herausgefordert. Oder umgekehrt. Der Oberbürgermeister tritt im Wahlkreis IV, dem Potsdamer Süden, gegen den Chef der Linkenfraktion an. Er stellt sich als Spitzenmann der Potsdamer SPD zur Wahl, obwohl er im Falle eines Sieges sein Mandat nicht annehmen wird. Denn als Oberbürgermeister hat Jakobs bereits qua Amt ein Stimmrecht in der Stadtverordnetenversammlung. Scharfenberg spricht deshalb gerne von einer „Scheinkandidatur“ und „Wählerbetrug“. Hier werde eine Lücke im Kommunalwahlrecht missbraucht. Jakobs entgegnet: Er erkläre immer, dass er das Mandat nicht annehmen werde und für eine starke SPD Stimmen sammle. Von Wahlbetrug will er daher nichts wissen. 129 000 Potsdamer sind morgen aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Etwa neun Prozent der Wahlberechtigten (11 116) haben ihre Stimmen bereits abgegeben. Das ist der höchste Wert an Briefwählern bei Kommunalwahlen in Potsdam.
Übrigens: Dass Hans-Jürgen Scharfenberg den Antrag der SPD auf Schnuppermitgliedschaft ausfüllt, ist abwegig. Eingesteckt hat er ihn dennoch: Man könne ihn ja mal durchlesen, so der Linken-Fraktionschef.S. Fischer / J. Brunzlow
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