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Landeshauptstadt: Jakobs hat die Chance für ein großes Projekt Der Politologe Jochen Franzke zur OB-Wahl

Sie haben einen knappen Zieleinlauf prognostiziert. Es kam aber anders Mit Prognosen kann man verdammt schief liegen.

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Sie haben einen knappen Zieleinlauf prognostiziert. Es kam aber anders

Mit Prognosen kann man verdammt schief liegen. Es gibt drei Gründe für den sicheren Sieg von Jann Jakobs. Es ist ihm gelungen, in einer signifikanten Anzahl Wähler der Grünen, der FDP und der CDU zu bewegen, ihn im zweiten Wahlgang zu wählen. Dann hat die Stasi-Problematik einen größeren Einfluss gehabt, als das 2002 der Fall war. Nicht zuletzt hat sich gezeigt, dass Hans-Jürgen Scharfenberg nicht über genug Mobilisierungskraft bei der eigenen Stammwählerschaft verfügt, nicht einmal in den Hochburgen. Sehen Sie die Waldstadt, dass Jakobs dort in Teilen sogar vor Scharfenberg liegt, ist schon ein dramatischer Wechsel.

Das überrascht: Linke, die nicht wählen.

Auch Linke leben nicht ewig. Auch da gibt es einen Generationswechsel. Gerade in Potsdam gibt es viele junge Linke, die schlicht ein anderes politisches Angebot brauchen. Spätestens bei der nächsten Wahl muss die Linke mit einem Kandidaten antreten, der dieses Klientel vertritt. Die Milieus entwickeln sich in Potsdam sehr dynamisch, da braucht auch die Linke ein zukunftsfähiges Angebot.

Muss Scharfenberg politisch kürzer treten?

Er wird sicher weiter politisch aktiv sein. Aber die nächsten Kommunalwahlen sind schon in drei Jahren. Die Linke muss dann eine andere Person präsentieren und kommunalpolitisches Personal braucht Zeit, um bekannt zu werden.

Ist der Sieg des Amtsinhabers ein Ausdruck von Zufriedenheit?

Potsdam hat eine Eigendynamik, die wenig mit der Politik und der Verwaltung zu tun hat. Es ist eine sehr lebenswerte Stadt. Der Amtsinhaber kann sich nun einen Teil des Kuchens abschneiden, obwohl er nicht sehr viel dazu beigetragen hat. Auf jeden Fall ist Jakobs jetzt gestärkt, er muss nichts mehr werden, nach der nächsten OB-Wahl kann er in Rente gehen. Aber ich würde nicht sagen, dass er der große Hoffnungsträger ist, etwa auf das Amt des Ministerpräsidenten, wie manche Medien schreiben. Er kann in Ruhe regieren und ist den heimlichen Co-Bürgermeister Scharfenberg los

den Schatten-OB

ja, das ist psychologisch für ihn wichtig, das lockert. Er hat jetzt acht Jahre Zeit, etwas zu verändern.

Viele Liberale und die Konservative haben ihr Kreuzchen bei einem Sozialdemokraten gemacht Sind Sie überrascht?

Das hätte ich so nicht erwartet. Weil das auf die Dauer gar nicht funktioniert. Wenn die „bürgerlichen Kräfte“ eine Chance haben wollen, müssen sie etwas Eigenes aufbauen. Wenn ihnen das in Potsdam nicht gelingt, brauchen sie es im Land erst gar nicht zu probieren.

Weil hier die Milieus sind?

Ja, die konservativ-liberalen Milieus sind da und müssen repräsentiert werden. Das geht nur mit einem eigenen Kandidaten, der nicht so parteinah sein kann.

Was sollte Jakobs tun, was sollte er lassen?

Nicht übermütig werden, würde ich sagen. Wenn er positiv in die Geschichte eingehen will, muss er die Verwaltung in den Griff kriegen. Es darf keine Skandale mehr geben. Dann, rate ich, sollte er jetzt ein großes Projekt angehen. Jetzt sind die politischen Mehrheiten da, bevor es 2013 in den nächsten Wahlkampf geht.

Wie sehen Sie die Stadt Potsdam?

Die Veränderungen der Milieus sind unheimlich spannend. Potsdam ist wie ein Labor. Aber es muss verhindert werden, dass die soziale Teilung so stark bleibt. Die Stadt muss eine Identität finden, etwas Gemeinsames, das die Leute in den Plattenbauten wie in den bürgerlichen Stadtteilen verbindet. Es geht um das Wir-Gefühl, das jede Stadt auszeichnet.

Das Interview führte Guido Berg

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