Von Günter Schenke: Jakobs: Synagogen-Streit „überflüssig“
Grundsteinlegung für neue Synagoge im August / Jüdische Gemeinde zieht in provisorisches Quartier
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Innenstadt – Ein Ende des Streites um den künftigen Synagogenbau hat Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gefordert. Beim Fest anlässlich des Umzugs der jüdischen Gemeinde von der Schlossstraße in ein ebenso nur provisorisches Quartier in der Werner-Seelenbinder-Straße sagte Jakobs gestern, die Kontroverse um die geplante Synagoge sei eine „überflüssige“ Diskussion. „Über Architektur kann man immer streiten – aber wenn man eine neue Synagoge bauen will, muss diese Diskussion endlich abgeschlossen werden“, verkündete er unter dem Beifall der rund 120 Anwesenden.
Wie der Vorsitzende des Synagogenbauvereins Peter Schüler bestätigte, werde Ende August dieses Jahres der Grundstein für die neue Synagoge gelegt. Die Stadt Potsdam habe dem Land Brandenburg als Bauherren bereits ihr Einvernehmen mitgeteilt. Bei Landesbauten sei eine formelle Genehmigung nicht erforderlich. Umgesetzt werde der Entwurf des Architekten Jost Haberland, so Schüler. Termin der Fertigstellung: Ende 2012. In den nächsten Wochen werde der Abriss des alten Gebäudes, die ehemalige Wasserwirtschaft, stattfinden.
Wie berichtet, wird Haberlands Entwurf heftig kritisiert, unter anderem von der neu gegründeten Synagogengemeinde um Ud Joffe und Nachum Presman. Gemeindevorsitzender Vladimir Genkin betonte hingegen, dass eine Jury den Haberland-Entwurf in einem Wettbewerbsverfahren aus 27 Angeboten ausgewählt habe. Ausdrücklich begrüßte er gestern den orthodoxen Gemeinderabbiner Berlins Yitzhak Ehrenberg, der maßgeblich am Entwurf mitgewirkt habe.
Mit 380 Mitgliedern sei die Jüdische Gemeinde Potsdam die größte im Land Brandenburg, betonte Gemeinde-Chef Genkin – Joffe und Presman gehörten nicht dazu. Für eine Änderung der Synagogenpläne gebe es keine Gründe. Die mit 300 Plätzen kritisierte geringe Größe des Gebetsraumes sei unberechtigt. Zum Vergleich: Für die Gemeinde in München mit 9000 Mitgliedern gebe es 580 Plätze, so Genkin.
Ihren Umzug feierte die Jüdische Gemeinde mit einer fröhlichen Zeremonie. „So viele tanzende Juden in den Straßen Potsdams haben wir lange nicht erlebt“, sagte Jakobs. Die Juden waren mit ihrer neuen Thora-Rolle, die aus Israel kommt, singend und im Kreise tanzend zum provisorischen Gemeindesitz gezogen. „Das feierliche und fröhliche Ereignis heute ist das Signal, dass mit dem Bau der neuen Synagoge begonnen wird“, so Jakobs.
Dem Umzug war die „Weihe“ einer neuen Thorarolle, der exklusiven Niederschrift der hebräischen Bibel, vorangegangen. „Es fehlen noch zwölf Buchstaben“ verkündete der 29-jährige Potsdamer Rabbiner Shlomo Afanasev zu Beginn. Und: „Landesrabbiner Shaul Nekrich wird uns helfen, sie zu schreiben.“ Unter Anleitung von Nekrich schrieben dann Mitglieder der Gemeinde und angereiste prominente Juden mit einem Gänsekiel mehr oder weniger symbolisch die letzten Buchstaben auf die Thora. Sie bedeuten laut Afanasev etwa: „Unter den Augen des ganzen jüdischen Volkes“. Die Thora, die aus sehr dünnem Rindsleder bestehe, habe 21 000 Euro gekostet.
Der für zwei Jahre provisorische Gemeindesitz im ehemaligen Standort der Feuerwehr ist unter Verantwortung von Erich Jesse von der Pro Potsdam-Bauholding hergerichtet worden. Das „Büro Reimers Architekten“ aus Potsdam gestaltete die insgesamt 570 Quadratmeter umfassenden Räume . Wie Mykhaylo Tkach, stellvertretender Gemeindevorsitzender, erklärte, sei die Arbeit zur vollen Zufriedenheit ausgeführt worden. Insgesamt mussten 150 000 Euro investiert werden. Das Geld stammt anteilig aus dem Treuhandvermögen des Sanierungsgebietes Potsdamer Mitte, aus dem städtischen Haushalt und aus Hauptstadtmitteln.
Günter Schenke
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