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Kirchencafé: Zur Aktion „Gedeckter Tisch“ kamen am vergangenen Freitag und am Wochenende bis zu 4000 Menschen in die Potsdamer Nikolaikirche. Im Mittelpunkt stand die Hilfe für bedürftige Menschen.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: „Jeder Einzelne ist wichtig“

Zum vierten Mal lud die Potsdamer Gemeinde St. Nikolai zur Aktion „Gedeckter Tisch“. Es herrschte großer Andrang. Auch Michael Hirte gab sich die Ehre

Stand:

Es herrscht Gedränge in der großen Kirche. Menschen stehen in einer breiten Schlange an und warten geduldig, um in die Kleiderkammer hereingelassen zu werden. Zwischen den Wartenden und den Kirchenbänken ist nur wenig Platz. Sanft schieben sich die Besucher durch dieses Nadelöhr. Mittendrin in diesem Pulk läuft ein kleingewachsener Mann mit brauner Mütze. Er wirkt unscheinbar. „Haben Sie Autogramme dabei?“, wird er von einer Frau gefragt. Ihrer Begleitung raunt die Dame anschließend kurz zu: „Das ist der Michael.“

Ein paar Minuten später steht der Michael vor dem Altar der Potsdamer Nikolaikirche und entlockt seiner Mundharmonika die ersten Töne. Es ist Michael Hirte, der mit seiner Mundharmonika vor sechs Jahren die RTL-Castingshow „Das Supertalent“ gewann. Der frühere Potsdamer Straßenmusiker spielt an diesem Sonntag als einer der vielen eingeladenen Künstler auf der Aktion „Gedeckter Tisch“, zu der die Gemeinde St. Nikolai nun schon zum vierten Mal eingeladen hat. An diesem Sonntag sind, wie schon in den beiden Tagen zuvor, die Kirchentüren geöffnet für Menschen, die hier gegen eine erbetene Spende von einem Euro warme Speisen, Kuchen und Kaffee erhalten, sich in der Kleiderkammer nach passenden Sachen umschauen oder einfach das Musikprogramm genießen wollen. Kinderschminken oder Blutdruckmessen gehören ebenso zu dem vielfältigen Angebot, das die Gäste, vornehmlich finanziell bedürftige Menschen und ihre Kinder, in dem Gotteshaus wahrnehmen können.

Im Waschraum der Damentoilette, tief unten im Untergeschoss der Kirche, wird etwas für die Haarpracht getan: „Am Freitag habe ich 22 Leuten die Haare geschnitten“, sagt Gisela Frieß. Sie ist eine der beiden Frauen, die an diesem Sonntag Menschen kostenlos die Haare frisieren. Oben an der Treppe, die ins Untere der Kirche führt, erklärt mittags, kurz nach zwölf Uhr, der Helfer Ralf Beschorner: „Ich habe alle Nummern ausgegeben, mehr schaffen die beiden Damen nicht mehr.“ Bis 15 Uhr werden die beiden Friseurinnen weiterfrisieren. 25 Wartemarken habe er heute verteilt. Für die „Gedeckte Tafel“ im nächsten Jahr wünsche er sich noch ein oder zwei mehr ehrenamtliche Friseure, sagt Beschorner.

Während sich im Untergeschoss der Kirche um schicke Frisuren gekümmert wird, spielt sich oben im Altarraum Michael Hirte ein. Noch stimmt die Balance zwischen seiner Mundharmonika und der Begleitmusik nicht. „Ich höre hier nur ganz, ganz wenig. Ich hoffe, Sie haben alles gehört“, erklärt Hirte den vielen Menschen, die in den Kirchenbänken sitzen oder in den Gängen stehen, um seinen anrührenden Mundharmonika-Klängen zu lauschen. Derweil können sich die Besucher am Rand des Kirchenschiffs an einer langen Tafel verköstigen lassen. Es gibt Suppe, Würstchen, Kuchen und andere Leckereien. Nach ein paar Minuten Kampf mit der Technik stimmt bei Hirte der Sound. Jetzt legt er richtig los, erwärmt mit seinem Mundharmonika-Vibrato sicher viele Herzen an diesem Tag.

Einer, der sich extra zum Auftritt von Hirte auf den Weg hierher gemacht hat, ist Horst-Siegfried Marquardt. „Ich habe schon mehrere Veranstaltungen mit ihm erlebt“, sagt der ältere Herr. In seiner Hand hält er zwei roséfarbene Rosen. Eine davon hat er am Eingang der Kirche überreicht bekommen. Dort haben die Organisatoren – solange der Vorrat reichte – jeden Besucher mit einer Rose empfangen. Die zweite Rose in Marquardts Hand ist die seiner Frau Käthe. Sie ist noch schnell zum Blutdruckmessen gegangen. Wenig später kommt die Seniorin zurück.

Bis zum Ende am Sonntagnachmittag werden zwischen 3500 und  4000 Menschen die Aktion „Gedeckter Tisch“ besucht haben, wie die Organisatoren um die Potsdamer Ärztin Ariane Zibell später schätzen. Das ist ein Besucherrekord, im vergangenen Jahr kamen rund 3500 Menschen. Doch es gehe nicht um Rekorde, sagt Pfarrerin Susanne Weichenhan. „Jeder Einzelne ist wichtig.“ Finanziell ermöglicht wird die Aktion durch Spenden von Privatleuten und Firmen sowie durch mildtätige Stiftungen.

Auf das städtische Ordnungsamt ist Helferin Sabine Krönke an diesem Sonntag hingegen nicht gut zu sprechen. Am Samstag hätten Helfer an ihren Autos auf dem Alten Markt Knöllchen wegen Falschparkens vorgefunden. Formal sei das sicher korrekt, sagt Krönke – und fügt dennoch hinzu, nach stundenlanger Arbeit in der Kirche sei das „dann wie ein Schlag ins Gesicht“ gewesen.

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