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Potsdam: Jeder Hund zählt

Seit Mittwoch läuft in der Landeshauptstadt die „Hundebestandsaufnahme“: Die PNN waren mit Ursula Fornefeld-Schmitz in Krampnitz unterwegs.

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Schon die erste Tür ein Treffer. „Da bellt was“, sagt Ursula Fornefeld-Schmitz und lächelt. Es ist kurz nach elf Uhr, als die robuste Frau in wetterfester Kleidung und mit Ausweisschild um den Hals in der Straße „Am Föhrenhang“ ihren Rundgang startet. Ihr Tagesprogramm trägt sie in einem dicken Ordner unterm Arm: Eine Liste mit allen Adressen im Ortsteil Krampnitz. Es dauert ein paar Augenblicke, bis ihr eine junge Frau die Tür öffnet. „Guten Tag, ich bin im Auftrag der Stadt unterwegs“, stellt sich Fornefeld-Schmitz gut gelaunt vor: „Wir machen eine Hundezählung. Haben Sie welche?“

Aus Dormagen im Rheinland ist die 60-Jährige in dieser Woche nach Potsdam gekommen, um hier ihrer Arbeit nachzugehen. Fornefeld-Schmitz ist einer der zehn bis zwölf Hundezähler, die derzeit rund 88 000 Potsdamer Haushalte abklappern. Bei jeder Adresse muss sie klingeln, Namen sowie Angaben zu vorgefundenen Hunden notieren. Wenn niemand zu Hause ist, steckt sie einen blauen Informationszettel in den Briefkasten.

Das ist jetzt nicht notwendig. Die junge Frau in der Tür streicht sich verschlafen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wir haben drei“, sagt sie: „Einen Hovard und zwei Bolonka Zwetnas.“ Als sie die Tiere vor die Tür lässt, springen sie in heller Begeisterung um die fremde Besucherin, machen sogar Männchen. Ob die Hunde angemeldet sind? „Das machen alles meine Eltern“, sagt die junge Frau.

Es ist die erste Hundezählung in Potsdam seit dem Jahr 2000. Die Stadt verspricht sich davon Mehreinnahmen bei der Hundesteuer. Denn, so die Vermutung: Viele hier lebende Hunde sind nicht gemeldet. Seit der letzten Zählung ist die Anzahl der Hunde laut Stadt um rund 1000 zurückgegangen – und das, obwohl Potsdam durch Eingemeindungen und Zuzug kräftig an Einwohnern zugelegt hat. Rund 5500 Hunde bei 5120 Hundehaltern sind derzeit gemeldet.

Die Dunkelziffer liegt zwischen 15 und 18 Prozent, weiß Ursula Fornefeld-Schmitz. Seit neun Jahren ist sie als Hundezählerin für die Firma „Springer Kommunale Dienste“ unterwegs. In bundesweit mehr als 500 Städten hat das Unternehmen mit Sitz in Düren nach eigenen Angaben bereits Vierbeiner gezählt. Potsdam lässt sich die Zählung 100 000 Euro kosten. Ob tatsächlich die gesamte Summe ausgeschöpft wird, sei vom Arbeitsaufwand der Hundezähler abhängig, erklärte Stadtsprecher Jan Brunzlow. Das Geld hätte die Stadt durch die Steuermehreinnahmen bereits nach einem Jahr wieder in der Kasse, so die Prognose. Ob sich schon durch die Ankündigung allein reuige „Steuersünder“ beim Rathaus gemeldet haben, sei derzeit noch unklar.

Ursula Fornefeld-Schmitz hat sich inzwischen weiter durch die Einfamilienhaussiedlung in Krampnitz gearbeitet. Bis zu 40 Haushalte schafft sie pro Stunde, spätestens acht Uhr abends ist Feierabend. Dass ihr der Job Spaß macht, merkt man. „Ich gehe gern spazieren“, sagt sie, lacht und blinzelt in die Sonne: „Und bei dem Wetter!“

Selbst skeptische Potsdamer kann sie an diesem Vormittag mit ihrer offenen Art schnell entwaffnen. Sie weiß intuitiv, wann sie noch zum kurzen Plausch bleiben und wann sie sich lieber rasch wieder verabschieden sollte. „Wenn man selbst nicht stressig ist, reagieren auch die Leute normal“, sagt sie. Nur einmal wird ihr mit Polizei gedroht – nicht ungewöhnlich, wie die Hundezählerin einräumt. In anderen Städten hat sie auch schon Extremfälle erlebt. Zum Beispiel eine Wohnung mit 40 Hunden und Welpen: „Da habe ich beim Ordnungsamt angerufen.“

Weder zur Auskunft noch zum Öffnen sind Potsdamer verpflichtet, wenn Fornefeld-Schmitz oder ihre Kollegen klingeln. Die Hundezählerin notiert, was sie sieht. Auch die Warnung vor dem „freilaufenden Hund“ am Zaun. „HWS“ schreibt sie in ihre Liste, „Hundewarnschild“.

Die Liste gleicht die Stadt später ab – und schreibt mögliche neue Hundebesitzer an, im Zweifelsfall müssen sie mit einem Bußgeld rechnen. 84 Euro Steuern kostet ein Hund pro Jahr, der zweite Hund 108 Euro, jeder weitere 132 Euro. Gerade in den neuen Ortsteilen ist die Höhe ein Streitthema: Vor der Eingemeindung war die Hundesteuer hier niedriger.

Aber es gibt auch andere Meinungen in Krampnitz: „Die Hundesteuer muss um 100 Prozent erhöht werden“, fordert ein Mann, der sich durch das „Gekläffe“ in der Nachbarschaft gestört fühlt, wie er der Hundezählerin erklärt: „Gut, dass sie mal die Hunde zählen!“ Ein anderer Nicht-Hundebesitzer spaßt: „Hier belle ich!“ Die Rheinländerin nimmt es gelassen. Für sie ist der heutige Samstag vorerst der letzte Zähltag. In den kommenden Wochen übernehmen Zeitarbeitskräfte aus der Region den Job. Gebissen worden sei sie noch nie, sagt Ursula Fornefeld-Schmitz. Eigene Hunde hat sie auch nicht: „Ich bin ja immer unterwegs!“

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