
© Thomas
Landeshauptstadt: „Jeder Tag Mühlentag!“
Auch die Historische Mühle am Park Sanssouci beteiligte sich am 18. Deutschen Mühlentag
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Der Wind ist stärker geworden. Das spürt man zwar im Innern der Mühle am Schloss Sanssouci nicht direkt, aber unüberhörbar ist das immer lauter werdende Rumpeln und Ächzen der Hauptwelle, die direkt über den Köpfen der Besucher rotiert. „Das geht ja ganz schön los!“, meint ein Besucher. Torsten Rüdinger schüttelt den Kopf: „Das ist noch nicht mal Arbeitsgeschwindigkeit“, so der Geschäftsführer der Historischen Mühle. Auf die Frage, wie viele Handgriffe in der Mühle denn noch selbst gemacht werden, antwortet Rüdinger: „Alle. Das Aufziehen der Segel, das Ausrichten des Windrads und so weiter geschieht alles manuell.“ Die Besucher sind verblüfft. Auch im Innern des Mahlwerks ist nichts automatisiert, alles bewegt sich nur mit Windkraft.
Der „Deutsche Mühlentag“ am Montag, an dem bundesweit rund 1000 Mühlen öffentlich zugänglich waren, will die Faszination für das alte Handwerk wecken. Für Rüdinger, der aus einer alten Müller-Familie stammt, ist heute trotzdem ein normaler Arbeitstag: „Im Prinzip ist hier jeden Tag Mühlentag!“ Kein Wunder, schließlich betreibt er die wahrscheinlich berühmteste Mühle Deutschlands. So berühmt, dass der VEB Mühlenwerke, die früher in der Speicherstadt ansässig waren, das Bild der Historischen Mühle zu DDR- Zeiten auf ihre Mehltüten drucken ließ – obwohl das berühmte Bauwerk zwischen 1945 und 1990 gar nicht mehr stand. Sogar auf den Mehlsäcken der bayrischen Drax-Mühle prangt das Bild der Potsdamer Mühle bis heute.
Aber es ist so eine Sache mit der Windkraft: Während die großflächige Verbreitung von Stromwindrädern von vielen als Landschaftsverschandelung betrachtet wird, können sich die meisten Sanssouci- Besucher gar nicht satt sehen an der majestätischen Galerie-Windmühle nach holländischer Bauart. Kaum jemand weiß noch, dass diese Mühle fast das letzte Relikt einer großen Wind- und Wassermühlentradition in Potsdam darstellt: Vor über hundert Jahren gab es über 40 Mühlen in und um Potsdam – vielleicht haben auch schon damals Anwohner über die Verschandelung der Landschaft geklagt?
Richtig gemahlen wird in der Historischen Mühle aber nur etwa zweimal im Monat – jährlich zehn Tonnen Mehl. Etwas davon wird heute im Holzofen vor der Mühle zu Brot verarbeitet, am Tisch nebenan können sich auch Kinder am Brotkneten und -backen versuchen.
Rüdinger steigt indes die schmale und zugleich steile Treppe nach unten und meint: „Ich halte es für ein Gerücht, dass Müller immer dick gewesen sein sollen!“ Auf der im Jahr 2010 sanierten Galerie der Windmühle, die einen großartigen Rundumblick auf Potsdam und den Park bietet, kann man sich durchaus vorstellen, warum der Müller Grävenitz aus der Legende den Alten Fritz damals so ungeniert mit dem Kammergericht gedroht haben soll. Immerhin thront die Mühle direkt über Schloss Sanssouci – da kann man schon ein bisschen respektlos werden.
Nebenbei fühlt man sich auf den Holzplanken der Galerie fast wie auf dem Deck eines Schiffes – vor allem wegen des wuchtigen Steuerrads, mit dem Rüdinger das Dach der Mühle nebst Windrad am Morgen um 180 Grad in den Wind gedreht hat. Auch die „Segel“, also die großen Tücher auf den Flügeln, müssen wie auf See je nach Windstärke aufgezogen und eingeholt werden. Danach werden sie dann am Flügel festgemacht – mit einem Schifferknoten. „Viel von dieser Technik stammt aus der Schifffahrt“, so Rüdinger. Zum Schluss stellt er noch die Preisfrage: „Was klappert denn nun an der Mühle?“ Natürlich der „Rüttelschuh“, der an eine viereckige Drehachse gelegt wird und dadurch nicht nur neues Korn auf den Mahlstein rüttelt, sondern ständig für ein laut vernehmliches Klacken sorgt. E. Wenk
E. Wenk
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