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Landeshauptstadt: „Jeder Zweite findet nur schwer Azubis“

IHK: Zahl der Schulabgänger fast halbiert. Hohe Abbrecherquoten vor allem bei Friseuren und Köchen

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Potsdam - Jahrelang wurde Brandenburg für seine Bemühungen, wirtschaftlich aufzuholen, müde belächelt. Auf der Suche nach guten Jobs haben Tausende Jugendliche das Land Richtung Westen verlassen. Jetzt, da die Wirtschaft endlich boomt, fehlt es an gut ausgebildeten Fachkräften, bleiben viele Lehrstellen unbesetzt, weil geeignete Bewerber fehlen. „Im Vergleich zum Jahr 2000 hat sich die Ausbildungssituation um 180 Grad gedreht“, bestätigt die Sprecherin der Potsdamer Handwerkskammer, Ute Maciejok. Damals hätten Schüler nach Lehrstellen gesucht, heute suchten Betriebe nach Azubis. „Bei unserer jüngsten Umfrage im Sommer 2013 sagte mehr als jeder Zweite, er habe Probleme, geeignete Lehrlinge zu finden.“

Am vergangenen Montag hat in Berlin und Brandenburg das neue Ausbildungsjahr begonnen. Auf ihrer Webseite bietet die Handwerkskammer eine Lehrstellenbörse an, auf der Betriebe kostenfrei ihre Ausbildungsplätze veröffentlichen können. Im April 2005 waren 97 Lehrstellen im Angebot, im April 2013 waren es 590. „Allein diese beiden Zahlen zeigen den Trend der letzten Jahre“, so Maciejok. Lehrstellen blieben zunehmend unbesetzt. Der Rückgang der Schulabgängerzahlen wirke sich auch auf die Lehrlingszahlen aus. Gab es im Jahr 2000 noch 9557 Auszubildende im Kammerbezirk, so waren es im vorigen Jahr 3381. Die Situation bleibe angespannt.

Bei der Potsdamer Industrie- und Handelskammer (IHK) ist die Zahl der Ausbildungsverträge mit 3000 in den vergangenen acht Jahren zwar etwa konstant geblieben. Die Zahl der Schulabgänger im westbrandenburgischen IHK-Bezirk hat sich im gleichen Zeitraum auf 7706 derweil fast halbiert. „Aus dem Ausbildungsmarkt ist ein Bewerbermarkt geworden“, konstatiert IHK-Ausbildungschefin Sylvana Karpe. Die IHK habe inzwischen mehrere Wege entwickelt, um ihre Mitgliedsunternehmen bei der Lehrlingssuche zu unterstützen.

Dazu gehöre ein Zuschuss zu Nachhilfeunterricht, damit gegebenenfalls auch Leistungsschwächere eine Chance bekommen, Seit vier Jahren laufe eine Ausbildungskampagne, um die Abwanderung der Schulabgänger ins nahe Berlin zu verhindern. Auch die Azubi-Speeddatings seien eine aus der Not geborene Idee, Unternehmer und Bewerber zusammenzubringen, so Karpe.

Die größten Probleme würden im Hotel- und Gaststättenbereich bestehen, in der IHK-Lehrstellenbörse gebe es dort mit 800 freien Stellen die meisten Angebote. Auch Kaufmann, Logistiker und Berufkraftfahrer kann man leicht werden. Zu den gefragteren Branchen zähle der Bankenbereich. „Sicherlich sind eine attraktive Ausbildungsvergütung und eine gute Jobperspektive ein Anreiz, sich zu entscheiden“, sagt Karpe.

Häufig aber scheint die erste Wahl nicht die beste zu sein. Die Abbrecherquoten sprechen eine deutliche Sprache. Dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aus Bonn zufolge brachen 2011 in Brandenburg 54,7 Prozent aller Friseur-Azubis entweder ihre Lehre vorzeitig ab, oder scheiterten auch im letzten Versuch in ihrer Abschlussprüfung. Von den angehenden Köchen schmeißen demnach knapp die Hälfte hin, von den Hotelfachleuten geben 41 Prozent vorzeitig auf. Bei den KFZ-Mechatronikern lag die Abrrecherquote immerhin noch bei 36,1 Prozent.

Einen Grund sehen Experten in den teilweise unrealistischen Vorstellungen der Jugendlichen. „Sie können heute jeden x-beliebigen Fernsehsender anmachen und sie sehen eine Kochshow. Als junger Mensch kann man da schnell den Eindruck gewinnen, ist ja alles ganz lustig und spannend – dann werde ich mal Koch“, sagt Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesarbeitsagentur. Dringend verbessert werden müsse die Berufsorientierung. Die IHK sieht vor allem die Schulen gefordert.

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