Von Peter Tiede: Joop: Bei Schiesser raus – bei „Wunderkind“ drin?
Die Traditionsfirma verzichtet auf eine Kooperation mit dem Potsdamer Stardesigner. Der holt sich die Mehrheit an seinem Krisen-Label zurück
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Berliner Vorstadt - Doch noch Haute Couture statt Feinripp? Der Potsdamer Modedesigner Wolfgang Joop ist beim deutschen Unterwäschehersteller Schiesser aus dem Rennen – und hat gleichzeitig wieder die Macht im von ihm gegründeten, krisengeschüttelten Luxus-Modelabel „Wunderkind“ in Potsdam übernommen. Zumindest nach eigenen Angaben nach. Demnach hat Joop die Mehrheit an „Wunderkind“ vom Potsdamer Investorenehepaar Gisa und Hans-Joachim Sander zurückgekauft – für 2,95 Millionen Euro. Nur: Außer Joop konnte dessen Machtübernahme bei „Wunderkind“ am Freitag noch niemand bestätigen. Selbst sein eigenes Haus wurde von Joops öffentlichen Äußerungen überrascht. Der einstige „Wunderkind“-Miteigentümer Hans- Joachim Sander bestätigte den PNN am Freitag nur, dass es Verhandlungen gibt. Ein Vertrag sei nicht unterschrieben, Geld nicht geflossen. Joop sagte, am Montag werde alles öffentlich verkündet.
Vor zwei Wochen hatte der Modemacher gegenüber den PNN angekündigt, binnen einer Woche mit Investoren handelseinig zu sein und mit diesen „Wunderkind“ zu übernehmen. Gestern ließ er sich mit dem Satz zitieren, er habe den 65-Prozent-Anteil der Sanders aus seinem Privatvermögen bezahlt. Mit den Investoren verhandle er aber weiter, hieß es. In dem Moment, in dem Joop wieder 100 Prozent von „Wunderkind“ gehören, soll der neue Investor einsteigen.
Der Modeschöpfer braucht Geld, um sein Wunderkind wieder zum Laufen zu bringen. Denn im Herbst will Joop auf den Schauen in Paris vertreten sein – mit einer neuen Kollektion, die es noch zu entwerfen und zu finanzieren gilt. Erste Entwürfe habe er bereits fertig.
Die Frühjahrskollektion ist in diesem Jahr wie berichtet ausgefallen, nachdem sich Sanders und Joop am Jahresanfang über die Geschäftsstrategie zerstritten hatten und Sanders kein neues Kapital mehr in die Firma geben wollten. Nach eigenen Angaben haben Sanders etwa 27 Millionen Euro in „Wunderkind“ investiert. Zusammen mit den Investitionen Joops und von dessen Partner Edwin Lemberg seien etwa 60 Millionen Euro in Wunderkind geflossen. Wert waren Sanders Anteile und „Wunderkind“ gewährte Darlehen nun nur noch die knapp drei Millionen Euro.
Um Joop unter Druck zusetzen, hatten Sanders ihre Anteile an den Finanzinvestor Clemens Vedder verkauft. Joop, der ein Vorkaufsrecht besitzt, musste daraufhin entscheiden, ob er die Anteile Vedder überlässt. Vedder hatte angekündigt, Joops engste Mitarbeiter zu entlassen: „Die Heinis müssen verschwinden – alle.“ Zur Not hätte er auch ohne Joop das Label entwickelt. Vedder gehe es um die auch im englischen Sprachraum vermarktbare Marke, hieß es. Sanders hatten noch an Haute Couture geglaubt – aber verkaufbare Mode angemahnt. Joop hatte darauf bestanden, Mode-Kunst zu fertigen, puren Luxus, „High-End-Fashion“ wie er selbst sagte. Nur: In den „Wunderkind“- Lagern in der Potsdamer Behlertstraße und in den Läden stapelt sich die edle Ware. Im Februar war der Geschäftsbetrieb bei „Wunderkind“ in der Ludwig- Richter-Straße am Heiligen See dann faktisch zum Erliegen gekommen.
Eine Situation, die man am Bodensee in Radolfzell gut kennt. Dort sitzt das deutsche Traditionsunternehmen Schiesser, seit 2009 verwaltet vom Insolvenzverwalter Volker Grub. Joop hatte im Jahr 2009 öffentlichkeitswirksam angekündigt, das Unternehmen retten zu wollen. Dann sagte er, er stehe für eine Investorengruppe, die Schiesser – Inbegriff für Feinripp-Unterwäsche – retten wolle. Schließlich war er dann mit einer Beteiligungsgesellschaft vorstellig geworden, der die Insolvenzverwaltern nicht viel zutrauten.
Nachdem Schiesser sich zum Börsengang statt zum Verkauf entschloss, war Joop erneut vorstellig geworden – diesmal mit einem Kreditinstitut, das den Börsengang managen wollte, Joop wollte einen Vertrag als Kreativberater. Diese Verhandlungen seien nun am Freitag beendet worden, so Insolvenzverwalter Grub gegenüber den PNN: „Wir haben sehr lange verhandelt – aber da ist die Zeit nun drüber hinweggegangen.“ Joops Dienste würden schlicht nicht mehr benötigt, so Grub, der nur positiv von Joop und dessen Anliegen sprach. Schiesser und Joop hätten im gegenseitigen Einvernehmen auf eine Zusammenarbeit verzichtet. Joop habe bisher nicht für Schiesser gearbeitet oder entworfen. Schiesser sei seit dem Vorjahr wieder „satt in der Gewinnzone“, so der Insolvenzverwalter. Ohne Joops Zutun sei eine neue Kollektion entstanden, ein neuer Markenauftritt, ein neues Logo und ein neuer Ladenbau. Dies werde in den nächsten Wochen der Öffentlichkeit präsentiert. Für dieses Frühjahr ist der Börsengang geplant. Ob dies angesichts der Lage auf den Finanzmärkten nach der Katastrophe in Japan so bleibt, werde in den kommenden Tagen entschieden. Zur Absage an Joop sagte der Insolvenzverwalter: „Wir haben uns einfach gefragt, was Herr Joop überhaupt noch für uns tun könnte und ob eine Zusammenarbeit noch sinnvoll ist. Das war – ganz klar – eine Kosten-Nutzen-Rechnung.“
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