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Von Peter Tiede und Christoph Kapalschinski: Joop holt sein Wunderkind zurück

Der Potsdamer Stardesigner will in den nächsten Tagen wieder alle Anteile an seinem Label übernehmen. Mit neuen Partnern. Nach langem Kampf

Stand:

Der Potsdamer Modedesigner Wolfgang Joop wird das von ihm gegründete Modelabel „Wunderkind“ wieder komplett übernehmen. Das sagte Joop-Sprecher Edwin Lemberg am Freitag in Potsdam den PNN. Joop werde „in den nächsten Tagen“ mit drei Investoren zusammen den 65-Prozent-Anteil des Ehepaars Gisa und Hans-Joachim Sander übernehmen. Über die Höhe des Kaufpreises könne noch nichts gesagt werden, ebenso über die Investoren. „Herr Joop ist mitten in den Vertragsverhandlungen“, so Lemberg.

Gisa Sander, Erbin des Kosmetikkonzerns Wella, und ihr Ehemann, der am Freitag für die PNN nicht erreichbar war, lagen seit Längerem mit Joop über Kreuz und hatten vergeblich eine neue Unternehmensstrategie eingefordert. Joop, 66, hatte auf zugesagte Investitionen des Kunstsammler-Paares, dem in Potsdam unter anderem die Villa Kellermann am Heiligen See gehört, gepocht. Zum Jahresanfang noch schien es, als hätten sich Sanders, die im Jahr 2007 bei Wunderkind eingestiegen waren, mit ihren Forderungen nach Rendite für ihre Investitionen durchgesetzt: Da hatte Wunderkind einen Teil der Belegschaft entlassen und verkündet, dass die Marke breiter aufgestellt, neu ausgerichtet werden solle. Sanders hatten Joop stets gedrängt, auch preiswertere Stücke und Accessoires zu entwerfen, mit denen die Marke auch unterhalb des Luxussegments Kundinnen und Image gewinnen könnte. Der Firmensitz sollte, so hieß es noch im Januar von Joop selbst, nach Berlin verlegt werden. „Zu viel Idylle ist nicht gut für das Business“, hatte er den PNN damals gesagt. Ende Februar dann hatte er erklärt, den Sitz der Firma in Potsdam in der Villa Rumpf in unmittelbarer Nähe seiner Privatvilla „Wunderkind“ belassen zu wollen.

Lemberg trat am Freitag auf Nachfrage auch Spekulationen entgegen, wonach Joop inzwischen so gut wie pleite sei: „Da ist nichts dran. Sonst könnte er ja wohl auch sein Angebot zum Kauf der Firmenanteile nicht unterlegen.“ Spekulationen waren auch aufgekommen, weil Joop nebenher Stützstrümpfe, Möbel und eine Kampagne für die Deutsche Oper in Berlin entworfen hatte. Für die Kaufhauskette Kaufhof hatte er Schaufensterdekorationen entworfen, über eine Berliner Galerie Zeichnungen verkauft. Und bei Christie''s hatte Joop im Vorjahr in Paris seine Art-Déco-Möbel für 2,6 Millionen Euro versteigern lassen. Außerdem ist Joop – beratend und als Imageträger – für eine Investorengruppe beim insolventen Unterwäschehersteller Schiesser, der im März an die Börse gebracht werden soll, engagiert.

In den vergangenen zwei Wochen hatte es bei Wunderkind aus Investoren- und Interessentenkreisen geheißen, Joop habe Sanders einst nicht nur Firmenanteile verkauft. Joop habe dem Ehepaar auch zumindest Teile seiner Firmenanteile verpfändet. Joop habe erhebliche Verbindlichkeiten bei Sanders, die diese beim Verkauf ihres 65-Prozent-Anteils an Wunderkind mit abgelöst haben wollen.

Ähnliches hatte auch der Finanzinvestor Clemens Vedder geäußert, dem Sanders nach langen, ergebnislosen Verhandlungen mit Joop ihre Firmenanteile verkaufen wollten. Vedder und Joop hatten sich danach über die Medien heftige Wortduelle geliefert. Vedder hatte nach eigenen Angaben auch Darlehen, die Sanders Joop gewährt hatten, übernommen. Noch zu Wochenbeginn hatte Vedder Joop sowie dessen Sprecher und Partner Lemberg scharf angegriffen. „Die Heinis müssen verschwinden – alle.“ Gemeint waren Joops engste Mitarbeiter und Freunde. Vedder hatte angekündigt, nach der Wunderkind- Übernahme radikal auszukehren, um endlich einen Gewinn zu erzielen. Schließlich habe Wunderkind bislang 60 Millionen Euro verbrannt. Das Unternehmen habe noch neun Mitarbeiter. 2010 lag der Verlust bei 5,5 Millionen Euro. An Wunderkind reize ihn die Marke, die viel Potenzial berge, sagte Vedder. Andererseits kritisiert er Joop und seine Mitstreiter dafür, Wunderkind noch keine europäische Geltung verliehen zu haben.

Joop hatte dem heute erscheinenden Nachrichtenmagazin Spiegel daraufhin erklärt, er lasse „sich nicht mehr in Ketten legen, auch nicht in Perlenketten“. Da stand offenbar noch nicht fest, dass er es schafft, die Sander-Anteile auch zu kaufen. Laut Spiegel hatte er angesichts eines möglicherweise drohenden Aus seiner Marke Wunderkind gesagt: „Ich lasse mich für diese Marke nicht kreuzigen!“

Am Freitag klangen dann alle milder. Joop, weil er sein Wunderkind wohl wieder wird übernehmen können. Und Vedder sagte, er sei zufrieden, falls Joop tatsächlich Investoren gefunden habe. „Meine Aufgabe wäre dann erfüllt“, sagte er. Joop habe ihn inzwischen mehrfach angerufen. Der Designer sei ihm dabei entgegengekommen. Mit Investoren könnte Joop ein Vorkaufsrecht nutzen. Dazu läuft noch eine knapp zweimonatige Frist. Den Trennungsprozess zwischen Sanders und Joop könnte Vedder mit seinem aggressiven Auftreten beschleunigt haben.

Lemberg jedenfalls sagte am Freitag, Joop sei wieder optimistisch. „Im Oktober wird Wunderkind wieder auf den Schauen in Paris zu sehen sein – mit einer neue Kollektion.“

Dass es von Wunderkind wieder neue Stücke geben wird, ist nicht selbstverständlich: Denn wegen der schwierigen Finanzlage des Unternehmens und dem Streit unter den Inhabern wird derzeit nicht an einer Kollektion gearbeitet.

Dass Wunderkind kaum noch Läden habe, über die die restlichen noch vorhandenen Kleidungsstücke – ein Kleid kostet zwischen 900 und 3000 Euro – vertrieben werden können, wies Lemberg auch zurück. Wunderkind, das seine Kollektionen, mit einer Ausnahme, ausschließlich über eigene Shops verkauft, verfüge noch immer über die Läden in Berlin (Gendarmenmarkt, Tucholskystraße), auf Sylt und in London. Auch die Neueröffnung eines Wunderkind-Geschäfts am Berliner Kurfürstendamm solle nach der Übernahme der Firma wieder vorangetrieben werden. Lemberg: „Wolfgang Joop will mit seinen neuen Partnern wieder die Dynamik für Wunderkind aufbringen.“(PNN, HB)

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