Landeshauptstadt: Jüdisches Leben im „Märchenland“
Gestern wurde in Drewitz der erste jüdische Kindergarten im Land Brandenburg eröffnet
Stand:
Gestern wurde in Drewitz der erste jüdische Kindergarten im Land Brandenburg eröffnet Von Dirk Becker Drewitz - Der Ansturm überraschte. Als gestern der erste jüdische Kindergarten des Landes Brandenburg in Potsdam feierlich eröffnet wurde, war der große Raum im Gebäude der Kindertagesstätte „Märchenland“ in der Paul-Wegener-Straße schnell zu klein. Aus ganz Deutschland waren Rabbiner und ihre Familienmitglieder angereist, um Nahum Pressmann ihre Segenswünsche und zahlreiche Geschenke für die Kinder zu überbringen. Für den in Potsdam lebenden Rabbiner geht mit dem Kindergarten „Or Avner Chabad“ ein Wunsch in Erfüllung, an dessen Realisierung er seit seiner Ankunft in Potsdam vor acht Jahren hart gearbeitet hat. Zehn jüdische Kinder, neun Mädchen und ein Junge, sollen nun spielend in die Tradition und Kultur der Juden eingeführt werden. Neben regelmäßigen Gebeten wolle man den Kleinen vor allem die jüdischen Gebote näher bringen, wie Pressmann erklärte. In einer kleinen, an den Spielraum grenzenden Küche werden täglich von zwei speziell ausgebildeten Köchinnen koschere Speisen zubereitet. Dies seien aber die einzigen Unterschiede zu der Kita „Märchenland“, so Pressmann, der den jüdischen Kindergarten als eine ganz normale Einrichtung verstanden wissen möchte. Denn den größten Teil der Zeit sollen die jüdischen Kinder zusammen mit den anderen Kindern der Kita verbringen. Mit dem Kindergarten „Or Avner Chabad“, benannt nach einer jüdischen Organisation in Russland, sei ein „weiterer Baustein jüdischen Lebens in den Alltag des Landes Brandenburg eingefügt“, erklärte gestern Jugendminister Holger Rupprecht. Die aus der Not geborene Lösung, den jüdischen Kindergarten aus Kostengründen nicht in einem eigenen Gebäude unterzubringen sondern in eine vorhandene Kita zu integrieren, versteht Rupprecht als große Chance. Denn da Bildung, Erziehung und Betreuung gemeinsam gestaltet werden sollen, kämen die andern Kinder schon früh mit der jüdischen Kultur in Berührung. Auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) begrüßte, dass „Or Avner Chabad“ ein Teil eines Kindergartens sei. Er sieht in dem bewussten „Vermischen“ der unterschiedlichen Kulturen etwas „Besonderes, Spannendes“, das zur weiteren Integration des jüdischen Lebens in den Alltag der Stadt nur beitragen könne. Gleichzeitig sei dieser Kindergarten ein Schritt hin zur Normalität zwischen Deutschen und Juden auch in Potsdam, die nach den Geschehnissen im Dritten Reich noch immer nicht erreicht sei. Vor einem Jahr war Nahum Pressmann mit seiner Idee des Kindergartens an die Stadtverwaltung herangetreten. Die ganze Zeit sei er, auch wenn er manch „verrückte Idee“ hatte, vor allem durch den Oberbürgermeister und das Jugendamt bei der Umsetzung tatkräftig unterstützt worden. Im September vergangenen Jahres begannen die konkreten Planungen und Umbauarbeiten in den Räumen der Kita „Märchenland“, die vom freien Träger Internationaler Bund betrieben wird. Die zehn Kinder, die jetzt „Or Avner Chabad“ besuchen, seien erst der Anfang, so Pressmann. Der Platz reiche für weit mehr als 20 Kinder. Als einen weiteren Schritt hin zur Integration jüdischer Kultur in Brandenburg nannte Rabbiner Pressmann die Gründung einer eigenen Schule. Doch die sei, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, noch Zukunftsmusik.
Dirk Becker
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: