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Homepage: Jugend zu wenig beteiligt Experten wollen konkrete Beteiligungsrechte

Die Anzahl der Kommunen in Deutschland, die Kinder und Jugendliche an Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen beteiligen, bewege sich im Promillebereich. Das sagte Dominik Bär, Referent für Kinderpolitik beim Deutschen Kinderhilfswerk am Montag auf einer Fachtagung der Fachhochschule Potsdam zur Jugendbeteiligung.

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Die Anzahl der Kommunen in Deutschland, die Kinder und Jugendliche an Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen beteiligen, bewege sich im Promillebereich. Das sagte Dominik Bär, Referent für Kinderpolitik beim Deutschen Kinderhilfswerk am Montag auf einer Fachtagung der Fachhochschule Potsdam zur Jugendbeteiligung. Im Fokus der Veranstaltung stand die Frage, wie Kinder und Jugendliche besser beteiligt und in die Gestaltung ihres Lebensraumes eingebunden werden können.

In der Praxis geschehe das nach Bärs Ansicht viel zu wenig. Von insgesamt mehr als 11 000 Kommunen würden gerade einmal 100 mehr oder weniger verbindlich geregelte Beteiligungsstrukturen haben. Notwendig seien konkretere Gesetze zu Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft. Zwar sei die brandenburgische Landesverfassung im Vergleich zu den anderen Bundesländern schon relativ weit, allerdings nicht in Bezug auf die UN-Kinderrechtskonvention. Dort sei im Artikel 3 der Vorrang des Kindeswohls verankert. Dieses Recht gehöre auch in die Landesverfassung, weil auf dieses Grundprinzip alle anderen Rechtssprechungen aufbauen. Die mangelnden Mitbestimmungsrechte zeigten sich nach Auffassung von Thomas Kropp von der Fachstelle Kinder- und Jugendbeteiligung (JUBB) des Paritätischen Landesverbandes Brandenburg daran, dass sich viele junge Menschen zunehmend nicht als Teil der Gesellschaft sehen: einerseits weil sie keinen Gestaltungsspielraum hätten, andererseits sei den meisten die Funktionsweise demokratischer Entscheidungsstrukturen gar nicht geläufig.

Die Rechte von Kindern und Jugendlichen, zu denen auch die Beteiligungsrechte gehören, leiten sich aus unterschiedlichen Konventionen und Gesetzen ab. Auf internationaler Ebene ist seit 1992 die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) in Kraft. Uneingeschränkt gilt sie hierzulande seit 2010. Damit haben Kinder ein Recht auf Berücksichtigung ihres Willens bei allen sie betreffenden Entscheidungen und sie haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Informationsfreiheit. Auf nationaler Ebene gilt das Grundgesetz zwar als rechtlicher Rahmen auch für junge Menschen, dennoch stehen die Kinderrechte bis heute nicht in der deutschen Verfassung. Auf Landesebene gibt es - je nach Bundesland - mehr oder weniger konkrete Bestimmungen zu den Partizipationsrechten. So wurden 2007 zwar die Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche laut Brandenburgischer Verfassung gestärkt, bei Beteiligungsverfahren wie Bürgerbegehren, Bürgerentscheiden und Einwohnerversammlungen werden sie jedoch nicht explizit genannt. Bereits seit 2003 wird die Schaffung einer Kinder- und Jugendkonferenz in der Landeshauptstadt Potsdam geprüft.

Der Rechtswissenschaftler Peter Knösel vom Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Potsdam stellte als Fazit der Veranstaltung fest, dass Kinderbeteiligung in erster Linie eine Beteiligungskultur und Offenheit der Erwachsenen erfordere. „So weit sind wir hierzulande aber noch nicht.“ Trotz Fortschritten und einer allgemein kindgerechteren Kultur sei es noch nicht verbreitet, Kindern zuzugestehen, dass sie auch etwas zu sagen hätten, eigenständige Personen und vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft seien. Ein wichtiger Schritt sei es deshalb, die brandenburgische Kommunalverfassung zu ändern.

Für Politiker, so Knösel, sei die Durchsetzung von Mitbestimmungsrechten sicherlich schwierig zu akzeptieren, weil sie mit dieser Bevölkerungsgruppe einen weiteren Akteur befürchten und die politische Arbeit dadurch komplexer werden könnte. Dennoch müssen den Kindern endlich mehr Rechte zugestanden werden. Aus Knösels Sicht gibt es hier eine Dialektik zwischen gesellschaftlichem Bewusstsein und rechtlichen Erfordernissen. Das sei bei den Frauenrechten auch nicht anders gewesen. Erst Vorschriften hätten nach und nach zu gesellschaftlicher Akzeptanz geführt. Anja Laabs

Anja Laabs

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