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Landeshauptstadt: Junge Union baut Mauer auf

13. August: Gedenken an der Glienicker Brücke, Stubenrauchstraße und Lindenstraße 54

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Babelsberg/Innenstadt - Brandenburger und Berliner Politiker haben am Sonntag der Opfer der Mauer gedacht. Dabei haben auf den Tag 45 Jahre nach Beginn des Mauerbaus Mitglieder der CDU-Jugend Junge Union eine symbolische Mauer mit roten Farbflecken, Einschusslöchern und den Bildern von Maueropfern vor dem Gebäude der Linkspartei.PDS in der Alleestraße in Potsdam errichtet. Katharina Dahme von der Linkspartei-Jugend Solid sagte, „die Aktion ist einfach nur geschmacklos und verspottet die Menschen, die an der deutsch-deutschen Grenze ihr Leben ließen.“

Ein Dutzend Mitglieder der Jungen Union (JU) waren am Sonntagmittag vor den Sitz des Potsdamer Linkspartei-Kreisvorstandes gezogen, bauten symbolisch eine Mauer aus Gipsplatten mit Stacheldraht auf und forderten eine Entschuldigung der SED-Nachfolgepartei gegenüber den Opfern. Svea Rassmus von der Linkspartei verurteilte das Vorgehen als „Klamauk“, der dem Gedenken nicht gerecht werde. Wer 17 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder Mauern baue, erweise sich als „ewig gestrig und unbelehrbar“, sagte sie. Die Junge Union wolle sich durch Ausgrenzung und Stigmatisierung anderer profilieren. Der Linkspartei-Landesvorsitzende Thomas Nord reagierte gereizt auf den „Mauerbau“ und lieferte sich ein Wortgefecht mit dem JU-Chef Hans-Wilhelm Dünn.

Bei der CDU-Gedenkfeier an der Glienicker Brücke warnten der Berliner Spitzenkandidat für die Parlamentswahl, Friedbert Pflüger, und der Brandenburger Landesvorsitzende Jörg Schönbohm bei einer Gedenkveranstaltung an der Glienicker Brücke vor einer Verharmlosung der Gräueltaten der SED-Diktatur. Schönbohm sagte, die Erinnerung an die Mauer müsse wach gehalten werden. Sie sei kein antifaschistischer Schutzwall gewesen, wie es die SED stets behauptet habe. Die Linkspartei nehme bis heute die Täter in Schutz. Ihr Ehrenvorsitzender Hans Modrow sehe die Verantwortung für den Mauerbau beiderseits der Grenze. Die PDS stelle die Ideologie über die Freiheit. Nachdem auch Sozialdemokraten Opfer der Politik der SED geworden seien, müsse sich die SPD für ihre Bündnisse mit der Linkspartei schämen. Es sei ein Ausdruck der Beliebigkeit der SPD, dass sie unter anderem in Berlin gemeinsam mit der PDS regiere. Autor und Zeitzeuge Ezard Haußmann bezeichnete die Mauer als Verbrechen. Der Gedenktag sei zugleich Mahn- und Warntag. Er denke mit tiefem Schmerz an die Opfer und die Talente, die sich aufgrund des Mauerbaus nicht entfalten konnten.

Zu einem Gedenken am Vortag des 45. Jahrestages des Mauerbaus hatte am Sonnabend Manfred Kruczek zum Griebnitzsee an der Stubenrauchstraße eingeladen. Der frühere Stadtverordnete tat das als Vorstandsmitglied der im Januar 2005 gegründeten Fördergemeinschaft zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte im Land Brandenburg. Die sechs Segmente der Mauer, die an der Stubenrauchstraße stehen, sind die einzigen erhaltenen Originalstücke im Potsdamer Stadtgebiet, die sich noch an authentischer Stelle befinden. „Geschichte ist hier greifbar nahe“, sagt Kruczek“ und fasst mit der Hand in den Spalt zwischen zwei Segmenten des 2,50 Meter hohen Stahlbetonbauwerkes.

Radtouristen, die während der kleinen Zeremonie vorbeikommen, fragen: „Ist das die originale Mauer?“ Kruczek nimmt diese Äußerung als einen wie herbeigerufenen Beweis, dass an dieser Stelle eine Hinweistafel notwendig wäre. Viele wüssten heute nicht mehr, dass an dieser Stelle die Mauer Potsdam und Berlin hermetisch abriegelte. Trotz zahlreicher Beschlüsse und Willensbekundungen in der Stadtverordnetenversammlung sei nichts geschehen, um das Denkmal zu erhalten und würdig zu präsentieren, beklagte er. Zwar sei die Standfestigkeit des Teils gegenwärtig nicht gefährdet, doch sollte sich die Stadt zu dem Denkmal bekennen, um es dauerhaft zu erhalten Der 13. August sei für den Verein Anlass, auf die Defizite, die bei der Aufarbeitung der DDR- Diktatur bestehen, zu verweisen. Notwendig wäre ein Konzept für einen geschichtsbezogenen Streifzug zu den Orten der Mauer in Potsdam, forderte Kruczek. „Solche Zeugnisse hat ja kaum eine andere Stadt, nicht einmal Berlin.“ Aber die Repräsentanten Potsdams seien „zu gleichgültig gegenüber den stummen Zeugen aus der Zeit der Einmauerung.“

Der Ex-SPD-Mann und frühere Stadtverordnete Harald Koch beklagte angesichts des Mauerdenkmals am Griebnitzsee, dass die Schullehrpläne keine Aufarbeitung der DDR-Geschichte vorsehen. Er regte an, Exkursionen und Projekttage mit Schülern zu den exponierten Orten in Potsdam zu veranstalten. Der Förderverein könne die Vermittlung von Zeitzeugen, die unter der SED-Diktatur Repressalien ausgesetzt waren, unterstützen, bietet Manfred Kruczek an. Er halte enge Verbindung mit dem Verein für Opfer des Stalinismus, der sich insbesondere für die Entschädigung von Diktaturopfern einsetze. Zu den „Opfern“ zählten jedoch nicht nur jene Menschen, die persönlichen Repressalien bis hin zur Inhaftierung ausgesetzt, sondern „alle, die eingemauert waren.“

Zu einem stillen Gedenken fanden sich gestern Nachmittag 35 Personen im Hof des ehemaligen Stasi-Gefängnisses in der Lindenstraße 54 ein und legten am Denkmal gegen Gewalt Blumen nieder.Neben der Fördergemeinschaft Lindenstraße 54 waren Vertreter der Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung gekommen. Die Fraktionsschefs Hans-Jürgen Scharfenberg von der Linkspartei.PDS und Mike Schubert von der SPD standen „Seit an Seit“, als die versammelte Gemeinde in einer Minute des schweigenden Gedenkens verharrte. Bürgermeister Burkhard Exner würdigte mit eindringlichen Worten die Opfer, die an der Grenze umgebracht wurden und deren genaue Zahl immer noch nicht bekannt sei. 71 000 Menschen seien wegen versuchter „Republikflucht“ verurteilt worden, erinnerte er und ungezähltes Leid habe durch die gewaltsame Teilung zahllose Familien getroffen. Vor der Skulptur „Das Opfer“ von Wieland Förster, der Darstellung eines Mannes mit zum Himmel gerecktem Haupt, aufgeschlitztem Rumpf und gekreuzigten Armstümpfen, las Claus Peter Ladner einen Text, der eine Flucht an der Grenzübergangsstelle Rudower Chaussee am 12. Februar 1987 beschreibt. An diesem Tag wollten zwei Freunde die Grenze überwinden. Einem gelang die Flucht, den anderen traf der Schuss eines Grenzers ins Herz. Im Bericht des Grenzkommandos Mitte heißt es: „Das zweite Schwein hätten wir auch noch erwischt, wenn die VP nicht getrieft hätte und rechtzeitiger ein Zeichen gegeben hätte.“

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