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Landeshauptstadt: Junge Witwen

Einmal im Monat treffen sich in Cathrin Geislers Trauergruppe beim Hospizdienst „junge Witwen“

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„Gestorben wird wirklich nicht erst ab der Rente“. Cathrin Geisler, ehrenamtliche Sterbebegleiterin vom Ambulanten Hospizdienst Potsdam, spricht aus Erfahrung und sagt dabei Dinge, die man lieber überhören würde. Seit Anfang des Jahres leitet die gelernte Ergotherapeutin in Potsdam eine besondere Trauergruppe: Einmal im Monat lädt sie „junge Witwen“ in die Räume des Hospizdienstes in der Karl-Liebknecht-Straße 28.

Eine Altersbeschränkung für die Trauergruppe gebe es jedoch nicht, erzählt die 37-Jährige. Frauen, die mitten im Leben stehen, einen Beruf haben, womöglich Kinder, will sie mit dem Angebot ansprechen. Denn diese Frauen hätten nach dem Tod ihrer Männer andere Probleme und Themen als „ältere Damen in Rente“.

Das fängt schon beim Freundeskreis an: Während ältere Frauen zum Teil auch verwitwete Freundinnen haben, die die Situation nachvollziehen können, stehen junge Witwen in der Regel allein da. Freunde hätten nur ein bedingtes Verständnis für Trauerphasen: Die Erwartung, dass man das Thema endlich „hinter sich lässt“, sei groß. Als Reaktion trauten sich die Frauen oft gar nicht mehr, über den Verlust zu reden. Auch im Familienalltag bleibe wenig Zeit für Trauer: „Die Frauen funktionieren“, beschreibt Geisler die Situation, „aber irgendwo bleibt etwas auf der Strecke.“

Das soll bei der Trauergruppe in dem freundlichen Raum in einem Weberhäuschen aufgefangen werden. Für die betroffenen Frauen sei es wichtig, einfach nur reden zu können und sich mit jemandem auszutauschen, der genau weiß, wovon man spricht. Zwei Potsdamerinnen besuchen die Gruppe bisher. Eine von ihnen war vorher extra nach Berlin gefahren, um dort ein ähnliches Angebot nutzen zu können. Auf den Hospizdienst in Babelsberg, für den momentan 45 ausgebildete ehrenamtliche Trauer- und Sterbegleiter tätig sind, sei die Frau dann zufällig gestoßen, berichtet Geisler.

Wenn sie sich mit den Frauen trifft, gibt es in dem freundlichen Raum mit liebevoll renoviertem Fachwerk immer Tee, Blumen, Kerzen - und Taschentücher. Einen inhaltlichen Plan gebe es nicht: „Themen setzen die Teilnehmer.“ Für die etwa anderthalbstündigen Treffen gebe es ein „Ritual“: Dazu gehört eine kleine Specksteinfigur, die einen Menschen in nachdenklicher Pose zeigt. Die Teilnehmerin, die das Männchen in der Hand hält, darf darüber reden, „wie es ihr ergangen ist in den letzten vier Wochen“: Ohne Zwischenfrage, ohne Zeitbegrenzung. Die Frauen sollen „Platz haben“, begründet Geisler. Wenn es Tränen gibt, reagiert Geisler mit Zuspruch. Weinen zu dürfen sei für die Frauen erleichternd, weil andere Leute im Alltag darauf oft ängstlich reagierten. Im besten Fall tauschen die Teilnehmerinnen irgendwann Telefonnummern und verabreden sich auch mal privat. Das kennt Geisler aus anderen Trauergruppen: „Aber das braucht Zeit.“ Jana Haase

Nächstes Treffen heute Abend in der Karl-Liebknecht-Sraße 28. Beginn: 19 Uhr. Weitere Infos unter Tel.: (0331) 62 00 250.

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