Landeshauptstadt: Jungssachen mit Anspruch
Enrico Knuth weiß, wie Männer ticken – und was sie gerne tragen. In seinem Geschäft für Herrenbekleidung im Holländischen Viertel kauft auch Potsdams Haute-Volée gerne ein
Stand:
Mindestens 200 Krawatten hat Enrico Knuth vorrätig. „Weniger geht nicht, das hat keinen Sinn“, sagt der Inhaber des – aufgemerkt – Herrenbekleidungsfachgeschäfts. „Ein schönes altes Wort – oder?“, sagt er schwärmerisch. Dabei scheint das leicht antiquierte Wortungetüm gar nicht zu dem Inhaber von „Herr Knuth“ zu passen: Wer den kleinen Laden im Holländischen Viertel betritt, steht dem eher jugendlichen Enrico Knuth gegenüber – ein sportlicher Typ. „Was dachten Sie denn, dass es hier aussieht wie beim ,Anzugkauf’ von Loriot?“, witzelt der 41-Jährige.
Vor sieben Jahren hat Enrico Knuth das Fachgeschäft eröffnet, 75 Quadratmeter nur für Herren – auch wenn der Schriftzug an der Häuserwand noch etwas anderes suggeriert. Das Experiment, auch eine kleine Auswahl für Damen anzubieten, hat nicht funktioniert, sagt er. Die Männer hätten es ihm fast persönlich übel genommen, dass er in den ohnehin beschränkten Räumlichkeiten auch noch ein Eckchen für Damenbekleidung einräumte. Der Verkauf wird nun eingestellt, der Platz für mehr Auswahl an Herrenbekleidung genutzt. „Bis auf Unterhosen bekommen Sie hier alles“, sagt der Händler. Alles für den Mann heißt: die klassische, hochwertige Konfektion von der Stange, maßgefertigte Hemden und Anzüge nach Kundenwünschen. Das hat seinen Preis, sagt Knuth, aber dafür darf der Herr selber aussuchen, was er gern auf dem Leib hätte: welcher Stoff, welches Muster, welches Knopfgarn.
Ebenso findet man eine umfangreiche Auswahl an Freizeitbekleidung, T-Shirts, Pullis, Jacken, Jeans. Und was man(n) noch so braucht: von der exklusiven Haarpomade bis zum Herrenduft, edle Rasiersets, Manschettenknöpfen und Uhren aus dem Kleber-Uhrenatelier in Werder. Und selbstredend Schuhe – echte Budapester, hergestellt in Budapest, und spanische Lottusse aus einer Fabrik auf Mallorca.
Es muss schon etwas Besonderes sein, was er hier zeigt, sagt Enrico Knuth. Irgendwie muss er sich unterscheiden von den großen Handelsketten. Bei ihm gibt es deshalb besondere Marken, Namen, die man eher selten hört. „Der Kunde muss mir vertrauen, dass das gut ist“, sagt er.
Knuth kommt beruflich aus dem technischen Bereich. Gelernt hat er Konstruktionsmechaniker für Schweißtechnik, ging bald in den deutschlandweiten Vertrieb, und landete irgendwann beim Vertrieb Herrenkonfektion. „Dann der Klassiker, Familie, Kind, ich wollte irgendwann wieder nach Hause nach Potsdam“, sagt er. Der Laden an einer der touristischsten Straßen der Landeshauptstadt laufe gut, sagt er. Und obwohl täglich die Besucherströme an seinem Fester vorbeiziehen, seien fast 90 Prozent Stammkunden – aus Potsdam und Berlin.
Darunter sind auch junge Leute, die die kleine Kollektion von „Stone Island“ schätzen. „Gibt es nur hier oder in Berlin oder Großbritannien“, sagt ein junger Mann. Für Fußballfans sei das die Marke schlechthin, sagt Knuth, der sie auch selbst gern trägt. Neben Fußballfans und Touristen – in der Karwoche haben zwei Paare vom Bodensee ihr Urlaubstaschengeld bei ihm gelassen – kleidet er des Öfteren Vertreter der Potsdamer Prominenz ein. Namen nennt er selbstverständlich keine. Aber: „Dann kommen die Jungs vom Heiligen See und vom Griebnitzsee und haben so ihre Ansprüche“, sagt Enrico Knuth: „Haste die Jacke noch in anderen Farben? Die hab ich in New York gesehen, heißt es dann. Aber auf 75 Quadratmetern kann ich nicht 700-Euro-Jacken bunkern.“
Doch Knuth wäre längst nicht mehr hier, würde er das nicht kompensieren – mit charmanter Beratung und gutem Service. „Hier stimmt alles, das Interieur, das Exterieur, und der Bauchpinsel“, drückt es ein Kunde aus und zeigt auf den Verkäufer. Der lacht. Er weiß, wie er seine Kunden nehmen soll. Männer kaufen anders ein, sagt er, meist weniger spontan und emotional als Frauen, sondern sehr pragmatisch, auch weil sie sich nicht so sehr über Kleidung definieren wie Frauen, vermutet er. Sie kennen Marke und Größe, ordern eine Jeans, wollen, ohne groß zu probieren, gleich bezahlen und wieder los, schildert Knuth so einen Männer-Einkauf. „So nach dem Motto: Gib mir eine Hose, damit ich nicht nackt bin.“
Bei sanfter Chillout-Musik könnte man sich eigentlich viel Zeit lassen bei Herrn Knuth. Das wäre auch diesem viel lieber, denn der Mann sollte wirklich alles anprobieren und sich vielleicht beraten lassen. Knuth sieht sofort, sagt er, welche Größe ein Kunde hat, welcher Figur-Typ er ist. Ein eher kleiner, drahtiger oder ein untersetzter Typ, oder ein großer, fülliger Mann? „Viele der Anzüge sind italienisch geschnitten“, sagt Knuth, ein Bauchansatz passe da nicht rein. Doch während der Italiener in diesem Fall die Jacke stets offen trägt, wolle der Deutsche immer alles zuknöpfen. Knuth ist amüsiert. „Aber wir kriegen es meist hin“, sagt er. Dafür gibt es mittlerweile neue Schnitte: „Jeans mit Flatfront-Schnitt sitzen heute ganz anders, sie verkleinern optisch das Gesäß und am Bauch drückt nichts“, sagt Knuth.
Zwischen grün-gemusterten Satintapeten – „die gibt es nur noch in Italien“ – darf man in Ledersesseln ausruhen, in Katalogen blättern, die Auslagen bewundern. Ein ganzes Regal ist Lederwaren gewidmet, Taschen und Gürtel, die ein Potsdamer aus alten Reitsätteln und Stiefeln herstellt.
Der ursprüngliche Charakter steckt noch in den Produkten aus robustem Material, handgefertigte Einzelstücke. Gegenüber hängt ein überdimensionales Schwarz-Weiß-Foto von Ben Becker. Der Berliner Schauspieler bindet sich darauf gerade lässig eine Krawatte um. Als Becker eines Tages im Holländischen Viertel auftauchte, gelang es Knuth, Ben Becker abzufangen, erzählt er. Seitdem ist das Bild signiert.
Mittelstraße 38, Tel. (033) 647 50 65, www.herrknuth.de. Geöffnet Montag bis Freitag 11 bis 20 Uhr, Samstag 11 bis 18 Uhr
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: