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Landeshauptstadt: Jurist: 95 Prozent der Klagen scheitern

Entscheidung vertagt: Im Finanzausschuss haben die Stadtverordneten am Mittwoch erstmals über die umstrittene Tourismusabgabe debattiert

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Nach der Einführung der umstrittenen Tourismusabgabe glaubt Richard Elmenhorst nicht an eine Klagewelle. Das sagte der Bochumer Anwalt für Verwaltungsrecht, der die Satzung für die Abgabe im Auftrag der Stadt erarbeitet hat, am Mittwochabend im Finanzausschuss. Für 50 andere Städte und Gemeinden habe er eine solche Satzung schon geschrieben – und nach anfänglich zum Teil wütenden Diskussionen sei „erstaunlich wenig geschehen“, sagte der Jurist. So habe es auf Westerland in Sylt nur vier Klagen von insgesamt 4 000 betroffenen Unternehmen und Vermietern von Ferienwohnungen gegeben. Zudem sagte der Anwalt, 90 bis 95 Prozent aller Gerichtsverfahren gegen solche Satzungen habe er gewonnen.

Die teils emotional geführte Debatte im Ausschuss war die erste Diskussion eines Gremiums der Kommunalpolitik zu der umstrittenen Tourismusabgabe. Am Ende stand ein etwas paradoxes Ergebnis: Denn zwar beschlossen die Mitglieder des Gremiums mit knapper Mehrheit, dass Potsdam künftig jährlich an die von Bund und Land finanzierte Schlösserstiftung eine Million Euro für deren Parkpflege zahlen soll – wenn auch erst nach juristischer Prüfung, ob das überhaupt zulässig ist. Doch die Abstimmung über die Tourismusabgabe, die erst für die nötigen Einnahmen sorgen soll, vertagte der Ausschuss. Letztlich müssen ohnehin alle Stadtverordneten entscheiden – und zwar bis zum 30. Juni, sonst will die Stiftung automatisch einen Parkeintritt ab 2014 einführen.

Der Verlauf der Debatte zeigte auch, wie tief das Thema vor allem die Rathauskooperation um SPD, Grüne, CDU/ANW und FDP spaltet – bisher sind einzig die Sozialdemokraten zusammen mit den Linken für die Einführung der Abgabe, alle anderen Fraktionen im Stadtparlament dagegen, jedoch stimmenmäßig in der Minderheit. So sagte der FDP-Stadtverordnete Stefan Becker, die absurde Abgabe für 15 000 Potsdamer Unternehmen werde an deren Kunden weitergegeben. Daher seien vor allem Einkommensschwache von der Einführung betroffen: Denn ein Sozialmodell für Jugendliche, Studenten und Hartz-IV-Bezieher – wie bei der Einführung eines unbürokratisch zu erhebenden Parkeintritts möglich– gebe es nicht. Becker erklärte, dass Touristen aus aller Welt, die mit gefüllten Portemonnaies nach Potsdam kämen, „bitter enttäuscht sind“, wenn sie für den Eintritt in den Welterbepark Sanssouci nichts zahlen müssen.

Prompt hielt SPD-Chef Mike Schubert dagegen: „Wenn die FDP versucht, uns links zu überholen, dann wird es gefährlich.“ Bei einer vierköpfigen Familie aus Suhl oder Wanne-Eickel sitze das Geld sicher nicht so locker. Überdies erinnerte er an einen Grundsatzbeschluss der Stadtverordneten, die Welterbeparks eintrittsfrei zu halten. Noch vor mehr als einem Jahr hätten sich auch CDU-Politiker für eine Tourismusabgabe als faire Lösung zur Verhinderung eines Parkeintritts ausgesprochen. CDU-Fraktionschef Horst Heinzel konterte verärgert, damals sei die jetzt vorgelegte Satzung für die Abgabe nicht bekannt gewesen. Auch Peter Schüler von den Grünen sagte, seine Partei hege erhebliche Zweifel an der Tourismusabgabe in ihrer jetzigen Form. HK

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