Landeshauptstadt: Juristische Gretchenfrage
„Villa Gericke“: Vorzeitige Steuerabschreibung laut Finanzministerium zulässig / Konsequenzen offen
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Darf ein Denkmalsanierer Steuervorteile geltend machen, bevor er sein denkmalgeschütztes Gebäude komplett saniert hat? Das ist die juristische Gretchenfrage im Fall „Villa Gericke“, bei dem Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nach Informationen des Magazins „Spiegel“ einem Bauherren in fragwürdiger Weise Steuervorteile verschafft haben soll (PNN berichteten).
Das Brandenburger Finanzministerium beantwortete die Rechtsfrage gestern auf PNN-Anfrage eindeutig mit Ja. Es sei möglich, bei der Sanierung eines Denkmals einzelne Baumaßnahmen abzuschreiben, sagte Sprecher Gabriel Hesse. Voraussetzung sei aber, dass diese Maßnahmen „sachlich abgrenzbar“ seien. Dies gehe aus einem Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofes (BFH) aus dem Jahre 2002 zum Paragraf 7 i des Einkommenssteuergesetzes hervor. Dabei hatte der BFH entschieden, dass ein Bauherr, der im ersten Sanierungsjahr die Fenster, im zweiten das Dachgeschoss und im dritten das Erdgeschoss seines denkmalgeschützten Hauses saniert hatte, jede dieser Baumaßnahmen einzeln zur Steuerabschreibung geltend machen durfte. Hesse wies jedoch daraufhin, dass jede Denkmalsanierung ein Einzelfall sei – zum konkreten Fall „Villa Gericke“ könne er schon wegen des Steuergeheimnisses nicht Stellung nehmen.
Im Fall „Villa Gericke“ hatte Oberbürgermeister Jakobs in einer Dienstanweisung vom 26. März dieses Jahres die Untere Denkmalschutzbehörde angewiesen, die „steuerliche Abschreibung“ des Bauherren „umgehend zu bearbeiten“. Dies wurde laut „Spiegel“ im Rathaus als „hoch problematisch“ angesehen, es komme einer „beispiellosen Vorzugsbehandlung“ gleich – vor allem, weil die Steuerabschreibung offiziell erst nach Beendigung der kompletten Sanierung erlaubt sei. Jakobs habe sie aber für den Sanierer der „Villa Gericke“ bereits nach der Rohbau-Abnahme verlangt.
Dieser Auslegung wiedersprechen nun die Angaben des Finanzministeriums; auch Jakobs hatte die Vorwürfe bereits am Freitag zurückgewiesen. Er hatte gesagt, der Bauherr der „Villa Gericke“ in der Puschkinallee, der Insolvenzanwalt Jörg Zumbaum, sollte durch seine Intervention allein „das bekommen, was andere auch haben“.
Steuerabschreibungen bereits nach einzelnen Baumaßnahmen zu gewähren, sei „kein Einzelfall“, bekräftigte Jakobs gestern auf PNN-Anfrage. Genaue Zahlen nannte er jedoch nicht. Laut Jakobs soll aber auch Zumbaum bereits zuvor mehrfach von der Unteren Denkmalschutzbehörde Bescheide zur Steuerabschreibung für einzelne Sanierungsmaßnahmen an der „Villa Gericke“ bekommen haben. Ob die Abschreibungen gewährt werden, entscheide endgültig das Finanzamt.
Dies sagte auch Finanzministeriums- Sprecher Hesse. Das Finanzamt prüfe alle Rechnungen und Belege der Sanierungsarbeiten noch einmal. Grundsätzlich sei die Steuerabschreibung auch einzelner „sachlich abgrenzbarer“ Baumaßnahmen dazu da, den Eigentümern von Denkmälern entgegenzukommen – denn eine Sanierung „an einem Stück“ sei meist sehr kostspielig.
Welche Konsequenzen der Fall „Villa Gericke“ haben wird, ist bisher offen. Oberbürgermeister Jakobs will dem Vernehmen nach heute im Hauptausschuss Stellung nehmen. „Empfehlungen“ zu Maßnahmen in der Bau- und Denkmalverwaltung erwarte man aus dem Bericht der externen Gutachter um Prof. Ulrich Battis von der Humboldt-Universität, so Jakobs gestern. Er werde statt wie geplant Mitte Mai erst Ende Juni vorliegen, da „die Prüfung zeitaufwändiger als vermutet“ gewesen sei. Die Prüfung der Denkmalbehörde hatte Jakobs nach der Kritik des TV-Moderators Günther Jauch angeordnet. Jauch hatte eine Ungleichbehandlung von Bauherren beklagt. S. Schicketanz
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