
© Andreas Klaer (Archiv)
Von Sabine Schicketanz: Justiz prüft Griebnitzsee-Verträge
Verdacht: Stadt hat unzulässig Wegerecht von kooperativen Anrainern mit Baugenehmigungen erkauft
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Babelsberg - Potsdam ist wegen des bundesweit beachteten Kampfes um den Uferweg am Griebnitzsee ins Visier der Justiz geraten. Nach Informationen dieser Zeitung liegt der Vorgang inzwischen bei der brandenburgischen Korruptions-Staatsanwaltschaft in Neuruppin. Die Behörde prüft derzeit, ob staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen werden, bestätigte der zuständige Oberstaatsanwalt Frank Winter auf Anfrage. „Es gibt einen Überprüfungsvorgang.“ Die Neuruppiner Ermittler waren vom brandenburgischen Innenministerium eingeschaltet worden, um das Vorgehen der Stadt Potsdam auf mögliche strafrechtliche Relevanz zu überprüfen.
Auslöser der Aktivitäten von Justiz und Regierung war ein Schreiben von Griebnitzsee-Anrainern an die Korruptions- Stabstelle des Innenministeriums. Darin gehe es, so das Ministerium und die Neuruppiner Staatsanwälte, um die „strafrechtliche Bewertung“ von sogenannten städtebaulichen Verträgen, welche die Stadt Potsdam im Jahr 2006 mit kooperationsbereiten See- Anrainern geschlossen hat. Damit hatte sich die Stadt das Wegerecht am Ufer quasi erkauft – im Gegenzug durften die Anrainer den Uferweg näher ans Wasser verlegen. Es wurde den „Privilegierten“ zudem der Wiederaufbau von einst vorhandenen Bootshäusern und Stegen erlaubt, und zwar Jahre, bevor es einen gültigen Bebauungsplan für das Ufer gab.
In dem Überprüfungsverfahren will die Staatsanwaltschaft Neuruppin nun klären, ob diese städtebaulichen Verträge „strafrechtliche Relevanz“ haben, so Oberstaatsanwalt Winter. Dafür hat sich die Ermittlungsbehörde bereits alle Akten zu bisherigen verwaltungsrechtlichen Vorgängen im Uferstreit kommen lassen.
Dass die Stadt in der erbittert geführten Auseinandersetzung um den früheren Postenweg der DDR-Grenzer mit den städtebaulichen Verträgen einzelnen Anrainern Privilegien zubilligte, hatte bereits das Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg (OVG) in seinem jüngsten Urteil Ende Mai scharf kritisiert, als es den Bebauungsplan für den Uferweg wegen gravierender Mängel kassierte. Über die städtebaulichen Verträge habe die Stadt Potsdam jene Anrainer „geschont“, die sich kooperativ zeigten, so damals OVG-Präsident Jürgen Kipp, und zu ihren Gunsten „Abstriche bei der gemeindlichen Planung“ gemacht. „Das hätte sie aber mit allen machen müssen.“ Dass die Stadt dies nicht erwogen habe, sei „Beleg dafür, dass sie das Gewicht des Eigentums zu geringwertig eingeschätzt“ habe.
Als rechtlich problematisch gelten nach PNN-Recherchen die vier abgeschlossenen städtebaulichen Verträge außerdem, weil sie unabhängig vom Bebauungsplan den Verlauf des Uferwegs und die Gestaltung des Geländes festlegen, obwohl es dafür noch keinen Beschluss der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung gab. Damit sei die Stadt eine „unzulässige Selbstbindung“ eingegangen, so OVG-Präsident Kipp. Als die Stadtverordneten den Bebauungsplan, der Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung aller Interessen sein muss, dann beschlossen, seien sie nicht mehr frei in ihrer Entscheidung, sondern an die bereits geschlossenen städtebaulichen Verträge gebunden gewesen.
Die Folgen sind noch nicht absehbar. Nach Ansicht der Anrainer-Anwälte Reiner Geulen und Remo Klinger – sie haben gerade den Bombodrom-Prozess gegen die Bundeswehr gewonnen – machen diese städtebaulichen Alt-Verträge sogar den neuen Bebauungsplan für das Griebnitzsee-Ufer rechtlich angreifbar: „Eine Planbehörde muss abwägungsoffen sein – aber wie denn, wenn schon festgelegt ist, dass es den Uferweg gibt und wo er entlang führt“, argumentierte Klinger vor dem OVG. Demnach hätte auch der neue Bebauungsplan, dessen Aufstellung die Stadtverordneten noch am Abend der Prozessniederlage trotzig mit den Stimmen aller Parteien beschlossen, vor Gericht schlechte Chancen.
Nicht ausgeschlossen ist, dass die städtebaulichen Verträge im Ergebnis der Überprüfungen von Staatsanwaltschaft sowie Infrastruktur- und Agrar- und Umweltministerium wieder aufgelöst werden müssen. Das wäre eine erneute schwere Niederlage für die Stadt Potsdam. Sie verlöre das im Grundbuch eingeräumte Wegerecht für den Uferweg über die vier betroffenen Grundstücke, deren Eigentümer den Weg dann wie zahlreiche andere sperren könnten. Dann wären selbst die wenigen offenen Teilabschnitte des Uferweges, die es jetzt noch gibt, für die Öffentlichkeit tabu.
Bereits seit Anfang April ist der knapp drei Kilometer lange Weg, der auf dem ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer verlief, an zahlreichen Stellen blockiert und zu Gärten umgewandelt. Damit reagierte rund ein Dutzend der insgesamt 80 Anrainer auf das Urteil des OVG, wonach es am Ufer kein Betretungsrecht nach Naturschutzgesetz gibt. Zwei Monate später erklärte das OVG auch den Bebauungsplan für Uferweg und Uferpark für nichtig. Das Gericht erteilte dabei den Plänen der Stadt für einen öffentlichen Weg keine Absage. Das allgemeine Interesse sei vorhanden, das Instrumentarium, es durchzusetzen müsse aber „professionell und fehlerfrei“ angewandt werden. Die Stadt Potsdam hatte den Anrainern wiederholt mit Enteignungen gedroht. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erklärte, die Stadt werde an den Plänen für einen öffentlichen Weg festhalten.
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