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Landeshauptstadt: Kahn der närrischen Leute

Nachrichten der anderen Art und viele Kalauer: Zwei Karnevalklubs feierten am Samstag die fünfte Jahreszeit

Stand:

Abendliche Dunkelheit liegt über Potsdam. Lichter spiegeln sich im Havelwasser. Die feuchte Kälte ergreift jeden, der jetzt noch draußen unterwegs ist. Wenn nicht die Autos unablässig über die Brücke rauschen würden, dann wäre es hier sogar ziemlich still. Doch auf ein paar Quadratmetern Havelwasser, ganz dicht am Ufer, soll es in wenigen Minuten fröhlich laut zugehen. Dort, wo sich im Dunkel des Abends gerade eine imposant gekleidete Dame dem Ort des Geschehens nähert, wird gleich – nun ja – nicht der Bär steppen, aber der Rote Adler ein paar Pirouetten drehen.

Fröhliche Begrüßung links, fröhliche Begrüßung rechts – die Dame in ihrem auffälligen blau-weißen Kleid findet Beachtung bei den Umstehenden. Müssten sie sich jetzt nicht sogar verneigen vor ihr, der Prinzessin? Sogleich betritt Ihre Lieblichkeit – so ist ihr offizieller Titel – das Schiff, das hier am Havelufer liegt. So ganz einfach hat es die Blaublütige mit ihrem riesigen Reifrock dabei nicht, doch eine Prinzessin muss das können. Gleich verschwindet die adlige Dame durch die – in Anbetracht ihres glockenförmig ausladenden Reifrocks – verhältnismäßig enge Eisentür. Jeannette I., diesjährige Prinzessin des Potsdamer Karnevalvereins „Narrenschiff“, ist angekommen auf der „John Barnett“, dem Restaurantschiff an der Schiffbauergasse.

An diesem Samstagabend steigt hier die Faschingsparty des Potsdamer Karneval Clubs (PKC) und des befreundeten Karnevalvereins „Narrenschiff“. Anders als bei wahren Regenten herrscht hier Eintracht. Ihre Lieblichkeit Prinzessin Andrea II. vom PKC und Ihre Lieblichkeit Jeannette I. machen sich den Thron untereinander nicht streitig. Schließlich hat jede von ihnen ein Reich, über das sie noch bis Aschermittwoch herrschen kann. Nur Prinzen sucht man vergeblich an diesem Abend. Sind sie nicht vorzeigbar, hat man sie gar in die Wüste geschickt? Nein, sie sind wohl einfach nicht vorgesehen in diesem Hofstaat auf Zeit.

Jeannette I., ihr Messingzepter mit Steuerrad in den Händen haltend, die silberfarbene Krone im kunstvoll frisierten Haar, hat derweil Platz genommen im Bauch der „John Barnett“, dem Kahn, der für diesen Abend selbst zum Narrenschiff wird. Doch welch Klang erfüllt plötzlich den Schiffsbauch und dringt an die Ohren der etwa 50 Karnevalisten? Es ist die Eingangsmelodie einer längst vergangenen Fernsehsendung, der man alles Mögliche nachsagen konnte, aber jedenfalls nicht, dass sie irgendwie lustig war: die Aktuelle Kamera. An diesem Abend im Narrenschiff „John Barnett“ will oder kann man mit dieser Tradition des Unfröhlichen nicht so recht brechen. Die Nachrichtensprecherin schaut fast nur auf ihr Blatt. Die „närrischen Nachrichten“ heben die Stimmung im Schiffsbauch nur wenig. Kleine Kostprobe? Folgenschweres Missgeschick in der Eisenacher Sparkasse: Bei Malerarbeiten sind alle Kundenkonten gleich mit gestrichen worden. So geht es weiter durch die Nachrichten, die Egon Krenz als Nachfolger für BER-Flughafenchef Schwarz vermelden oder den ersten September als Beginn des diesjährigen Potsdamer Weihnachtsmarkts ausrufen. Schließlich das Wetter: Es werde wie bei einem langweiligen Boxkampf – ohne Niederschläge.

PKC-Urgestein Hans-Georg („Sepp“) Meyer bestreitet einen Großteil des Abendprogramms. Ob als Bauarbeiter Theo oder als Ehemann Alfred berlinert er sich durchs Programm und landet dabei so manche Pointe. Ein bisschen koddrige Schnauze, immer wieder gezielte Missverständnisse – „Apple? Nee, ick ess lieber Birnen“ – so zieht es sich durchs Programm. Ja, wer hier in der Diaspora des Karnevals auf seine Kosten kommen will, muss diesen Humor eben mögen.

Derb-witzig geht es hingegen beim Männerklo-Sketch zu: Drei Herren in Reihe am Pissoir: „Kannste mal halten?“ – Ja, die schweinischste Assoziation ist hier die richtige. Mit zunehmender Dauer steigt an diesem Abend allmählich die Stimmung im Kahn der närrischen Leute. Höhepunkt ist schließlich das Männerballett. Beineschmeißend, in blau-weißen Matrosenuniformen, mit Perücke und ordentlich Busen tanzen sich die gelenkigen Herren in die Herzen der Karnevalisten.

Der PKC veranstaltet am 8. und 9. Februar, jeweils ab 20 Uhr, in der Lokalität, Berliner Straße 67, zwei weitere Faschingspartys. Am 7. Februar ab 18.11 Uhr feiert der Karnevalklub Narrenschiff in der Kantine der Landesregierung Weiberfastnacht. Der LKC feiert von Freitag bis Rosenmontag jeden Abend ab 20 Uhr im Lindenpark. „Rot-Weiß“ Groß Glienicke lädt zum Fasching am 9. und 16. Februar, jeweils ab 20 Uhr, in die Preußenhalle.

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