zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Kaiserin im Kutschstall

Im Brandenburg-Preußen-Museum rollen jetzt die großen Schaustücke für „Land und Leute“ an

Stand:

Im Brandenburg-Preußen-Museum rollen jetzt die großen Schaustücke für „Land und Leute“ an Von Erhart Hohenstein Innenstadt. Im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG), das am 17. Dezember seine Dauerausstellung „Land und Leute“ eröffnet, rollen jetzt die großen Schaustücke an. Gestern früh brachten Rudolf Böhm und seine Männer aus der Skulpturenwerkstatt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten eine strahlend weiße Auguste Victoria im Kranwagen an ihren künftigen Bestimmungsort. Die überlebensgroße, fast eine Tonne schwere Marmorsskulptur hatte bisher unbeachtet im Antikentempel von Sanssouci gestanden, wo die 1921 verstorbene letzte deutsche Kaiserin ja auch ihre letzte Ruhestätte gefunden hat. Im Jahr 1904 von Carl Begas geschaffen, dem Bruder des führenden Bilderhauers der wilhelminischen Zeit Reinhold Begas, hatte das Standbild seinen Platz im Kaiserinnengarten am Neuen Palais, war aber bereits Ende der 30er Jahre unter das schützende Dach des Tempelchen gebracht worden. Das war sein Glück, denn so hat sich vom Spitzenbesatz des Kleides über das über den Arm geworfene Tuch bis zum Fächer in der kaiserlichen Hand jedes der Details erhalten, für die Begas die Technik des „laufenden Bohrers“ verwendete, mit der sich selbst die zarteste Franse auf den Stein bringen lässt. Auch die Porträtähnlichkeit ist ganz erstaunlich. Den kleinen Schönheitsfehler indes, den Rudolf Böhm beim Reinigen der Figur entdeckte, bemerkt sonst niemand: Die Skulptur hat hinten am Kopf einen Einschussstelle, vielleicht eine Erinnerung an die überschäumenden Siegefeiern der Sowjetsoldaten nach ihrem Einzug in Potsdam im Frühjahr1945. Der Sanssouci-erfahrene HBPG-Direktor Gert Streidt hatte die Stiftung um diese und manche andere Leihgabe gebeten, und so wurde auf dem Schirrhof gleich noch ein zweites Ausstellungsstück, ein Bronzerelief, auf den Kranwagen gehoben. Es ist eine Arbeit Benjamin Gieses – von dem auch der Atlas auf dem Alten Rathaus stammt – und diese wurde im Jahr 1751 für den Marmorsaal des zerstörten Potsdamer Stadtschlosses angefertigt. Einst vergoldet, zeigt sie heute in patinierter Bronze den Sieg des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm bei Fehrbellin – jener Schlacht, mit der er 1675 die übermächtigen Schweden außer Landes trieb. Als gestern das Abbild von Auguste Victoria in die Ausstellungshalle gebracht und auf ihr Podest gehoben wurde, herrschte dort „schöpferisches Chaos“: Schon war die Ankunft des Kurfürsten und Königs Friedrich III. (I.) angesagt. Dessen von Andreas Schlüter geschaffenes Standbild kam als Leihgabe der Staatlichen Museen aus Berlin. Und die Zeit drängt: Nur noch knapp drei Wochen, dann sollen auf 600 Quadratmetern Fläche etwa 350 Schaustücke den Besuchern 900 Jahre brandenburgische Geschichte nahe bringen. Nicht nur die der Kurfürsten und Könige, sondern auch die der Bauhandwerker, der Fischer oder der Spreewälder Gurkenbauern.

Erhart Hohenstein

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })