Links und rechts der Langen Brücke: Kalkulierte Regelbrüche
Sabine Schicketanz über Potsdamer Vorfälle und Ausfälle am Rande des Zulässigen
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Natürlich, Wolfgang Joop hat überzogen. Sein Streit mit dem Sanssouci-Parkwächter, die gegenseitigen Anzeigen, die scharfen Angriffe gegen die Schlösserstiftung. Doch es ist verfehlt, sich ausgerechnet und so vehement daran zu stoßen. Ein Joop überzieht schließlich immer. Das liegt – mit Verlaub – wohl in der Natur der Sache, darf toleriert, kann kalkuliert werden.
Beim Blick auf Potsdam aber muss in diesen Tagen anderes nachdenklich stimmen. Was die Stadt bewegte, bewegte sich am Rande des Zulässigen. Ja, dieser Bogen lässt sich spannen – von der Hartz-IV-Beratung inklusive bewusster Anleitung zum Sozialbetrug im Bürgerbüro des Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Scharfenberg bis zur bewussten Missachtung der Parkordnung im Form des Radfahrens mit unangeleinten Hunden durch Sanssouci des Modeschöpfers Joop.
Lebenspraktisch, diese Wahrheit ist essentiell, ist beides nachvollziehbar. Es möge sich jener melden, der in Arbeitslosigkeit geraten den Finanz-Striptease vorm Amt ohne den Gedanken an einen auch so kleinen Trick absolvieren würde. Gleichermaßen ist zu warten auf den Potsdamer, der sich nicht ein einziges Mal geärgert hat über das Radfahrverbot in den Schlossparks. Natürlich nicht insgesamt, sondern nur dort, wo es die eigenen Bedürfnisse eingeschränkt hat. Weil dem so ist, sind beide Überschreitungen – so wenig ihre Dimensionen auch zu vergleichen sind – nicht weniger zu verurteilen. Der bewusste Aufruf zum Sozialbetrug darf von der Öffentlichkeit nicht toleriert werden, schon gar nicht im Büro eines Landtagsabgeordneten. Der kalkulierte Regelbruch eines Prominenten bleibt, was er ist, auch wenn es dabei „nur“ ums Radfahren samt unangeleinter Hunde im Park geht: Eine bewusste Missachtung von für alle Öffentlichkeit geltende Verbote. Schlüsse zu ziehen aus diesen Vorfällen, diesen Ausfällen, ist allerdings erlaubt, ja notwendig. Regel- oder gesetzeswidriges Verhalten sollte sich nicht rechtfertigen lassen mit Unzufriedenheit, ob persönlicher oder politischer. Wohin ist Potsdam unterwegs, wenn solche Mechanismen Raum greifen? Dass die Staatsanwaltschaft in Sachen Parksünder ermitteln muss, erscheint lächerlich. Dass sie den Verdacht der Anstiftung zum Sozialbetrug erheben könnte, ist traurig. Bewegung sollte anders erzeugt werden. Sei es gegen die Hartz-IV-Gesetze oder gegen die Parkordnung.
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