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Landeshauptstadt: Kältehilfe für die Ärmsten

Bernd Maaß und Friedhelm Loter kümmern sich um frierende Obdachlose, aber viele lehnen Hilfe ab

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Bernd Maaß und Friedhelm Loter wirken wie ein altes Ehepaar, wenn sie das Auto der Volkssolidarität durch Potsdams Straßen steuern. „Fahr links“, sagt Loter. „Ja, ja“, blafft Maaß zurück, ein wenig gereizt, aber nicht böse. Mit Herz und Schnauze wollen Maaß und Loter Obdachlosen gerade in diesen bitterkalten Tagen helfen – aber eine Sache macht ihnen das Leben schwer. „Die meisten Obdachlosen wollen sich gar nicht helfen lassen“, sagt Maaß. Nicht wenige setzten sich an den kalten Tagen etwa einfach in die S-Bahn und pendeln von Endstation zu Endstation.

An diesem Tag treffen die beiden Helfer lediglich auf einen Mann, der im Stadtteil Babelsberg auf der Straße lebt. Seinen Namen mag er nicht verraten, doch sein leichter Akzent beim Sprechen deutet auf eine südländische Herkunft hin. Er sitzt in einem Café, im Vorraum eines Supermarktes. Hier sei er fast jeden Tag, wenn es kalt ist, weiß Bernd Maaß. Der 63-Jährige kennt den Mann mit dem dunklen Pferdeschwanz schon seit drei Jahren. Doch auch dieser Obdachlose wehrt Hilfe ab: „Ich brauche nichts“. Das sagt der Südländer gleich drei Mal.

Auf einer Bank, versteckt unter einer schneebedeckten Plane, lagert der Obdachlose wenige Meter vom Café entfernt sein Hab und Gut. Die Anwohner sorgen sich regelmäßig um den zurückhaltenden Mann. „Bei uns sind mindestens zehn Anrufe von besorgte Leuten eingegangen“, sagt Maaß. Ein wenig ärgert es ihn, dass nicht nur die Bevölkerung, sondern selbst die Behörden von ehrenamtlichen Helfern wie ihm erwarten, dass sie sich um alles kümmern. „Aber wenn es um einen Junkie geht, dann weiß ich auch oft nicht mehr weiter. Da habe ich schon meine Bedenken, dass der mir eine Spritze in den Arm jagt“, erzählt Maaß, der früher jahrelang die Niederlassung einer großen Stahlbaufirma leitete.

Eine Zahl der Obdachlosen in Brandenburg zu schätzen, traut sich kaum jemand zu. Beim Landesverband der Volkssolidarität sorgt die Frage für Schulterzucken, auch der Städte- und Gemeindebund kann nach eigenen Angaben keine Zahl der Wohnungslosen in den Brandenburger Kommunen nennen. Das Sozialministerium spricht von 27 000 Wohnungslosen in ganz Ostdeutschland. Wie viele davon tatsächlich dauerhaft auf der Straße leben oder wie viele in Brandenburg sind – darauf will sich der Ministeriumssprecher auf Anfrage nicht festlegen. Bernd Maaß versucht die Ungewissheit zu erklären mit seinem Wissen aus : „Ganz viele sind permanent auf der Durchreise.“

Maaß und Loter steuern am Mittag ihr weißes Auto zum Potsdamer Hauptbahnhof, eine Kanne warmen Tee im Kofferraum. Eine Bahnhofsmission gebe es hier schon lange nicht mehr, erzählt Maaß. In der Halle vor den Bahnhsteigen sprechen die beiden Männer von der Volkssolidarität zwei Polizisten an, die Streife laufen: „Habt ihr Obdachlose gesehen?“ Doch die blonde Polizistin und ihr hochgewachsener Kollege haben keine wirklichen Informationen. Am Morgen sei einer im Bahnhof gewesen, aber später nach Berlin gefahren.

Gegenüber Obdachlosen seien sie immer sehr tolerant, sagt der Polizist, „auch wenn manche so betrunken sind, dass sie nicht einmal mehr sprechen können“. Bei Minustemperaturen werde niemand ohne gravierende Gründe aus dem Bahnhof geschmissen, versichern die Polizisten. „Es gibt schließlich das Grundrecht auf Leben.“ Wenn einer dann doch erfriere, dann meist, weil er so betrunken ist, dass er sich kaum noch bewegen kann. Jens Twiehaus/dapd

Jens Twiehaus, dapd

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