Prozess am Amtsgericht Potsdam: Kampf gegen Rechtsextreme mit Fäusten?
Fünf Anhänger der linken Szene sollen drei Neonazis zusammengeschlagen haben.
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Fünf Mitglieder der linken Szene in Potsdam sollen den Kampf gegen Neonazis auch mit Fäusten geführt haben. Diesem Vorwurf ging am Dienstag Richterin Birgit von Bülow am Amtsgericht nach. Die dort Angeklagten im Alter von 22 bis 27 Jahren sollen laut Staatsanwaltschaft zusammen mit mehr als 15 anderen Anhängern der Szene nach dem sogenannten Rosa Luxemburg-Gedenken am 15. Januar 2011 zum Hauptbahnhof gegangen sein. Dort sollen sie, wie von der Polizei ermittelt wurde, auf drei junge Männer getroffen sein, die zur rechtsextremen Szene gehören. In der Folge seien die Linken zum Angriff übergegangen und hätten Schläge, Tritte und Hiebe mit einem Fahnenmast ausgeteilt. Die Angegriffenen hätten Prellungen erlitten, ein Finger sei gebrochen worden, dazu habe einer aus einer Platzwunde am Kopf geblutet, hieß es bei der Verlesung der Anklageschrift. Die Tatverdächtigen äußerten sich allesamt nicht zu den Vorwürfen.
Stattdessen nahmen die fünf Verteidiger der Angeklagten die Aussagen der mutmaßlichen Opfer minutiös auseinander, offensichtlich mit dem Ziel, deren Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Mehrmals fragten die Anwälte auch nach Absprachen der Zeugen untereinander, vor allem weil die drei Männer bei Vernehmungen mehrfach auch neue Details zu dem Angriff geschildert hätten. So habe ein 27-jähriger Kraftfahrer, der sich an jenem Samstag mehrere Prellungen zuzog, erst vor Gericht zu Protokoll gegeben, dass er einen Teleskopschlagstock in den Händen der Angreifer gesehen haben will. In den ersten Vernehmungen habe er diesen Fakt mit keinem Wort erwähnt, wunderten sich die Anwälte. Auch sagte der 27-Jährige, er sei politisch nicht aktiv – ein vorgelegtes Foto, das ihn bei einem Neonazi-Aufmarsch zeigte, aber auch sein Kapuzen-Shirt mit dem Rückenaufdruck „Ansgar Aryan Weapons“ sprachen dagegen für seine rechtsextreme Gesinnung. „Eine Unverschämtheit“, nannte eine Verteidigerin die Aussagen des 27-Jährigen. Dessen Nebenklägeranwalt fragte daraufhin, ob daraus zu schließen sei, dass sein Mandant lüge. „Das macht er die ganze Zeit“, sagte die Strafverteidigerin. Allein die Vernehmung dieses Zeugen dauerte mehr als drei Stunden. Jedes Wissen bestritten die Zeugen auch zu der Frage, warum auf einer rechtsextremen Internetseite bereits wenige Tage später über den Vorfall detailliert berichtet wurde.
An der Ermittlungsarbeit der Polizei übten mehrere Anwälte der angeklagten Linksaktivisten grundsätzliche Kritik. Dabei gehe es um die Lichtbilder zum Identifizieren möglicher Täter und auch der Angeklagten, die die Polizei den Zeugen bei den Ermittlungen vorgelegt hätten. Diese Bilder habe sich die Polizei einfach von der Potsdamer Meldebehörde besorgt – dieses Verfahren sei unzulässig gewesen, sagte ein Anwalt der Angeklagten. Aus seiner Sicht hätten die Ermittler mindestens einen anderen Weg versuchen müssen, an ein solches Lichtbild seines Mandanten zu kommen – etwa mittels eines Besuchs zu Hause. Mit dem Versenden der Bilder zwischen den beiden Behörden sei gegen das sogenannte Übermittlungsverbot verstoßen worden, geregelt über das Personalausweisgesetz. Damit sei auch das Recht der Angeklagten auf infomationelle Selbstbestimmung verletzt worden, so der Anwalt weiter. Welche Auswirkungen diese Bedenken auf den Prozess haben könnten, blieb offen. Drei weitere Verhandlungstage sind angesetzt. Ein Urteil wird Ende April erwartet.
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