zum Hauptinhalt
Aus der Traum? Der „Fliedergarten“ startete als ambitioniertes Sozialprojekt für Hartz-IV-Betroffene. Dem gleichnamigen Verein wurde nach schier endlosen Grabenkämpfen nun vom Kleingartenverband gekündigt. Hartz-IV-Betroffenen-Vereinschef Weber schlug zurück und veröffentlichte alle Streit-E-Mails.

© Andreas Klaer

POTSDAM: Kämpfe um den „Fliedergarten“

Der Kleingartenverband entzieht dem Hartz-IV-Verein das Sozialprojekt am Pfingstberg – dessen Chef kontert

Stand:

Nauener Vorstadt - Die jahrelangen Streitigkeiten rund um das ambitionierte Sozialprojekt „Fliedergarten“ am Pfingstberg haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Der Kleingartenverband hat dem für das Projekt verantwortlichen Verein für Hartz-IV-Betroffene mit seinem Chef Jürgen Weber nun den Pachtvertrag für das Grundstück gekündigt. Das geht aus einem Schreiben hervor, das der Anwalt der Kleingärtner jetzt an Weber geschickt hat. Bis zum 30. Juli habe Weber nun Zeit, diese Kündigung anzuerkennen, heißt es in dem Papier.

Schon seit 2010 beharken sich die Kleingärtner unter ihrem Verbandschef Friedrich Niehaus und Webers Hartz-IV- Verein. Weber hatte Niehaus sogar mehrfach erfolglos angezeigt. Letzterem reicht es jetzt offensichtlich. In dem Schreiben an Weber werden diesem mehrfach Vertragsverstöße vorgeworfen. So hätte der Fliedergarten nach Plänen des Landschaftsarchitekten Hartmut Solmsdorf entwickelt werden sollen, heißt es – Weber habe sich daran nicht gehalten, „eigenmächtig irreparable Handlungen durchgeführt“ und andere Projektbeteiligte durch sein Verhalten brüskiert. Auch stelle sich das Gelände, auf dem Arbeitslose gemeinnützigen Tätigkeiten nachgehen sollen, als „verwildertes Grundstück“ dar, so ein weiterer Vorwurf des Anwalts der Kleingärtner. Auf Schreiben und Abmahnungen habe Weber nicht reagiert. Niehaus sagte den PNN, er suche nach neuen Interessenten, die das vor fünf Jahren ins Leben gerufene und nie wirklich zur Blüte gereifte Projekt „Fliedergarten“ künftig betreiben können.

Doch Weber denkt nicht ans Aufhören. Das Schreiben der Kleingärtner hat er auf der Internetseite des Projekts veröffentlicht – versehen mit einer in etwas holpriger Rechtschreibung verfassten Bemerkung: „Da wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Das wird ihnen aber alles nichts Helfen, da wir trotzdem bleiben werden.“ Dazu werden juristische Konsequenzen für den Kleingartenverband angedroht. Weber sagte den PNN, sollte seinem Verein tatsächlich das „Fliedergarten“-Projekt entzogen werden, wolle er einen Ausgleich für das angeschaffte Arbeitsmaterial und die geleisteten Arbeitsstunden. Nach seinen Angaben habe der Verein 22 Mitglieder, doch nur drei davon würden im „Fliedergarten“ arbeiten. „Wir brauchen mehr Rechtssicherheit“, sagte Weber. Hoffnung setzt er auf den 27. Juli: An diesem Tag werde am Amtsgericht über den Pachtvertrag verhandelt.

Weber ist der Kopf des Hartz-IV-Vereins: Als Chef ist er zugleich kommissarischer Kassierer. Sein Stellvertreter sei „wegen Beitragsrückstand“ ausgeschieden. So gibt Weber die Strategie vor – und scheut keine Konflikte, wie weitere Veröffentlichungen im Internet zeigen. Auch mit der Stadtverwaltung hat er sich angelegt – für den Fliedergarten will Weber einen Brunnen für 4700 Euro finanziert haben. Dokumentiert hat er alle E-Mails, die er seit Mai in der Sache an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und verschiedene Mitarbeiter der Stadtverwaltung geschickt hat, sowie deren Antworten. Demnach lehnt die Stadt die Förderung ab. Denn bei dem Projekt „Fliedergarten“ sei kein „öffentliches Interesse“ ersichtlich, so die Verwaltung. Schließlich schreibe der „Hartz IV Betroffene e.V.“ selbst, der Garten werde nur für Vereinsmitglieder konzipiert und bewirtschaftet. Weber weist das in einer seiner E-Mails an das Rathaus als „glatt gelogen“ zurück. Zusammengestellt sind die E-Mails unter der Überschrift: „Wie korrupt ist die Stadtverwaltung?“ Die Behörde will sich das nicht bieten lassen: Das Potsdamer Rechtsamt hat Weber nun bis 27. Juli Zeit gegeben, die veröffentlichten E-Mails zu löschen, weil damit Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern verletzt und der Ruf der Landeshauptstadt geschädigt würden. Weber veröffentlichte auch dieses Schreiben – mit der Bemerkung: „Was macht eine Verwaltung, wenn sie nicht mehr weiter weiß? Erpressen!“ Weber sagte, er berufe sich auf das Recht auf Pressefreiheit.

Die Praxis, alles zu veröffentlichen, ist bei Webers Verein kein Einzelfall. Mehrere weitere juristische, noch nicht beendete Scharmützel sind auf der Internetseite dokumentiert. So hatte der Verein erst im August 2010 einen Prozess am Amtsgericht verloren, weil er Namen und Privatanschrift einer Mitarbeiterin der Arbeitsagentur im Internet veröffentlichte. Nachdem diese den Widerspruch einer Hartz-IV-Bezieherin abgelehnt hatte, war sie auf der Internetseite von Webers Verein beschimpft worden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })