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Fachtagung fordert kleinteilige Jugendarbeit
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Die Brisanz der Diskussion um Werte zeigen nicht zuletzt Vorfälle wie der Brandanschlag vom 23. Januar 2010 in Zossen auf das Gebäude der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“. „Es gibt auch eine falsch verstandene Toleranz. Wenn rechte Positionen artikuliert werden, oder entsprechende Symbole getragen werden, ist es notwendig klar Stellung zu beziehen“, sagte Karsten Speck vom Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Potsdam während der Abschlussveranstaltung eines zweijährigen Forschungsprojektes zur Wertebildung bei Jugendlichen (PNN berichteten).
„Lehrer und Pädagogen können in Clubs und Schulen den Rahmen, in dem sie arbeiten, zu erheblichen Teilen selbst bestimmen“, sagte Speck der zusammen mit Wilfried Schubarth die Studie erstellt hat. Es könne beispielsweise in der Hausordnung einer Schule festgelegt werden, dass im Gebäude keine Springerstiefel getragen werden dürften. Auch Speck weiß allerdings, dass es nicht reicht, die Kleiderordnung zu regeln. „Es genügt nicht, immer wieder von Fall zu Fall zu reagieren. Notwendig ist eine kontinuierliche Begleitung und ein konstantes Angebot an die Jugendlichen“. Dieses könne in einer Ganztagschule bestehen, oder auch darin, Initiativen vor Ort zu stärken. Angebote ohne Bevormundung seien notwendig, bei denen die Jugendlichen das Gefühl hätten, akzeptiert zu werden. Als ein gelungenes Beispiel für die Stärkung jugendlicher Initiativen nennt er den Skaterpark Wittstock, der von Jugendlichen angeregt und dann von politischer Seite unterstützt worden sei.
Zusammenbrechende Industriestrukturen und Landflucht würden den Wunsch nach Gemeinschaft und Zusammenhalt unter den in ländlichen Regionen Brandenburgs verbliebenen Jugendlichen verstärken, konstatierten die Wissenschaftler. Dies würden rechtsgerichtete Kräfte aufgreifen. Hier müssten Politiker mit der Unterstützung einer kontinuierlichen Jungendarbeit einen Gegenpol bilden, forderten die Sozialforscher.
Wie gegengesteuert werden und ein anderes Wertesystem vermittelt werden kann, erklärte Thomas Kropp von der Landesstelle für demokratische Jugendbeteiligung. Er berichtet von einem Baggersee in Treuenbrietzen, er war ein beliebter Jugendtreffpunkt aber ziemlich verkommen. Nachdem sich im Ort ein Jugendparlament gegründet hatte, erklärte der Stadtrat, dass er zwar kein Geld habe die Jugendlichen zu unterstützen, steuerte aber Sachmittel zum Aufräumen des Sees bei. „In dem Parlament hatten die Politiker einen Ansprechpartner, mit dem sie zusammenarbeiten konnten“, stellte Kropp fest.
Der Sozialarbeiter ist häufig auf den Straßen des ländlichen Brandenburgs unterwegs und kennt die Probleme aus unmittelbarer Anschauung. Nicht selten treffe er auf Schulen, die sich ausschließlich als Lehranstalten verstünden und auf Politiker, die angesichts leerer Kasse nicht wüssten, wie sie auf die Jugendlichen zugehen sollen. Bei gemeinsamen Aktionen würden die Jugendlichen lernen, sich gegenseitig zuzuhören. Sie würden auch das Gefühl bekommen, etwas bewegen zu können, erklärte Kropp. Um Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, sei eine kontinuierliche Jugendarbeit notwendig. Denn oft herrsche das Gefühl vor, „die da Oben sind sowieso alle eine Suppe“. Weshalb sich Jugendliche von demokratischen Strukturen und Werten abwenden würden. Dieses Gefühl unter den Jugendlichen ziehe sich quer durch alle Gesellschaftsschichten.
Positive Wertebildung und die Möglichkeiten etwas zu verändern müssten vorgelebt werden, merkte Schubarth an. Notwendig sei es, zu erkennen, dass die Gesellschaft sowohl politisch, wie auch bei den Einkommens- und Sozialstrukturen auseinander drifte. Wenig hilfreich sei es, eine abgehobene Debatte über Leistungsbereitschaft- und Willen von Jugendlichen anzustrengen, wie dies gerade in der Politik geschehe. Werte wie Toleranz und Fairplay würden ganz konkret in Jugendclubs, in Vereinen und Initiativen beim gemeinsamen Sport oder auch beim Engagement in der Feuerwehr vermittelt.
Vor diesem Hintergrund könne dann auch ein Kampfkunstprojekt, wie es in Barnim bestehe, hilfreich sein, betonte der Leiter der Studie Wilfried Schubarth. Nur eine kontinuierlich geförderte Jugendkultur könnte längerfristig positive Werte etablieren. Als Ergebnis der Konferenz wollen die Wissenschaftler unter anderem Ratschläge ausarbeiten, die als Handreichung für Sozialpädagogen in entsprechenden Jugendclubs sinnvoll sein können. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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