
© M. Erbach
Landeshauptstadt: Kanal voll
In der Nacht zum Samstag kamen mehr als 200 Facebook-Freunde zum Baden im Stadtkanal
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Innenstadt - „Wir haben den Kanal voll“, skandiert irgendjemand irgendwann nach 1 Uhr – am Stadtkanal. Es ist dunkel, die Mücken schwirren, die Temperaturen liegen noch über 25 Grad, die Stimmung ist toll. Klatschen, plätschern, johlen, kraulen, trinken. Über Facebook war der Aufruf für den Flashmob „Mitternachtsbaden im Stadtkanal“ am späten Freitagnachmittag in die virtuelle Welt geschickt worden. Weit mehr als 200 zumeist junge Leute stürmten dann nach Mitternacht den für das Kanalrennen am Samstag bestens präparierten Kanalabschnitt zwischen Friedrich-Ebert-Straße und der Ladenbergbrücke. „Wir haben einen geheimen Badespot entdeckt“, war die Ansage gewesen. „Lasst uns heute Nacht im flachen Wasser eine Party feiern, bevor wieder der Stöpsel gezogen wird.“ Denn nur wegen des Sport-Events wurde der Kanal geflutet.
Nicht alle gingen baden, aber alle hatten ihren Spaß. Ariane aus Geltow hatte den Aufruf zum Spontantreffen zwar nicht auf Facebook gelesen, aber Freunde hatten sie angerufen – und einfach mitgenommen. „So, wie es jetzt ist, müsste es immer sein“, sagt Ariane. „Ein Stadtkanal voller Wasser – das ist unsere Urgeschichte.“ Marco ist von der Sandbar gekommen, durchschwitzt von der Hitze der Nacht und nass vom Wasser. „Das Wasser ist ziemlich kalt, aber es ist einfach schön hier“, grinst er.
Es sind aber nicht nur Facebook-Freunde am Kanal. Andrea Palent, Chefin des Nikolaisaals und der Musikfestspiele, ist völlig begeistert. Eben noch hat die Kammerakademie im Nikolaisaal klassisch ihr Jubiläum gefeiert – jetzt steht Palent zwischen jungen Leuten in Badesachen, schaut auf Gummiboote, Wasserbälle und schwimmende Palmen.
Die große Attraktion ist Pierre, der auch über Facebook von der Spontan-Veranstaltung erfuhr und sein Drahtseil über den Stadtkanal gespannt hat. „Das muss einfach sein“, sagt Pierre, der es tatsächlich schafft, gleich mehrere Male den Kanal auf dem Drahtseil zu überqueren. Pierre ist kein Unbekannter, seine Drahtseilakte vollführt er überall in der Stadt. Der Stadtkanal ist aber etwas ganz Besonderes für ihn. Wie auch für andere, die sich immer wieder auf dem Seil versuchten, um nur Sekunden später unter dem Jubel der Flashmob-Besucher in das etwa ein Meter tiefe Wasser zu stürzen.
Ein paar Meter entfernt steht ein Auto der Wasserwacht. Der junge Mann am Lenkrad ist gelassen. „Wird schon nichts passieren“, ist er sich sicher. Auf die Frage, wie er von der Party erfahren habe, sagt er nur: „Über Facebook.“
Michael Erbach
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