Von Anja Sokolow: Kanonenschüsse und Kalorienbomben
In Buckow wurde eine historische Kanone nachgebaut, die es einmal im Monat für Kurgäste krachen lässt
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Buckow  Einmal im Monat lässt es das beschauliche Kurstädtchen Buckow in der Märkischen Schweiz (Märkisch-Oderland) richtig krachen. Jeden ersten Sonntag im Monat begrüßen die Buckower Kanoniere die Gäste der Kurstadt mit dröhnenden Kanonenschüssen am Schermützelsee. Was viele der jeweils bis zu 140 Schaulustigen nicht wissen: Die Buckower verdanken ihre Kanone einem Zufallsfund vor 20 Jahren. Geschossen wird in Buckow zwar nur mit Pulver. Dafür hat ein geschäftstüchtiger Hotelier süße Kalorienbomben erfunden und Buckower Kanonenkugeln genannt.
Zuvor war aber erst einmal beim Abriss eines Hauses am Markt in der Wendezeit ein 960 Kilogramm schweres Eisenrohr freigelegt worden. „Als das Ding da ausgebuddelt am Boden lag, war klar, dass es ein Kanonenrohr sein muss“, erinnert sich Helmut Günzel. Der heute 73-Jährige holte das Rohr auf seinen Hof und verbrachte ein Jahr damit, es zu reinigen und von allem Unrat zu befreien, der sich im Laufe von mehreren hundert Jahren im Innern angesammelt hatte.
Günzel konsultierte Experten, zum Beispiel Kriminalpolizisten aus Frankfurt (Oder), die auf dem Rohr nach Hinweisen zur Herkunft suchten. „Auf einer Seite fanden sie den Buchstaben H“, erinnert sich der Hobby-Kanonier. Der Buchstabe habe darauf hingedeutet, dass das Rohr zwischen 1650 und 1680 in Schweden gegossen worden sein musste.
Inzwischen konnten auch die Eigentumsverhältnisse geklärt werden: Die Kanone gehörte nach Angaben des von Günzel gegründeten Vereins „Buckower Kanoniere“ dem Grafen von Flemming. Dieser habe um 1750 im ehemaligen Buckower Schloss gewohnt und vier Kanonen gehabt. Anhand selbst erstellter Zeichnungen von Kanonen aus Museen und mit der Hilfe von Freunden und Bekannten gelang Günzel die Rekonstruktion eines funktionsfähigen Geschützes, das mitsamt Lafette 2,2 Tonnen wiegt. „Eine größere Kanone als unsere gibt es weit und breit nicht“, sagt der Buckower.
Offiziell durfte er 1997 erstmals schießen, zunächst auf einem Parkplatz. „Damals haben wir vom Beschussamt in Kiel die Beschussbescheinigung bekommen“, erinnert er sich. Dieser „Kanonen-TÜV“ müsse alle fünf Jahre erneuert werden. In Buckow hat die Kanone inzwischen viele Fans, die als Verein „Buckower Kanoniere“ mit Lastwagen und Geschütz auf Tour gehen.
Günzel hat den Vorsitz aus Altersgründen mittlerweile an Reiner Adam abgegeben. 30 Auftritte im Jahr seien ziemlich anstrengend und immer wieder eine logistische Herausforderung. Die Buckower böllern in ihren preußischen Kostümen auch bei militärhistorischen Festen, Hochzeiten und Stadtjubiläen – im In- und Ausland. Sie waren schon mehrmals in Polen, in Schweden und Österreich.
Ein kleines Manko hat die Show jedoch. Geschossen wird mit Schießpulver - und nicht mit Kugeln. „Dafür bräuchten wir eine zusätzliche Genehmigung“, erklärt Günzel. Demnächst soll mit hölzernen Attrappen zumindest der Anschein erweckt werden, dass es sich um Kugeln handelt.
In Originalgröße gibt es die Kanonenkugeln bereits jetzt und sie sind essbar. Der Inhaber des Buckower Wellnesshotels „Bellevue“, Udo Erdmann, hat mit seinen Köchen vor fünf Jahren eine Kugel mit zehn Zentimetern Durchmesser aus Biskuitteig kreiert.
Das süße Stück mit jeder Menge Sahne, die Erdmann „Wellnesscreme“ nennt, kredenzt er seinen Gästen mit Schokoladenüberzug, Vanillesoße und Früchten. Weil die „Buckower Kanonenkugel“ so beliebt sei, plant Erdmann von 2011 an den Bau einer Schaubäckerei. Dann haben die Buckower auch noch eine Kanonenkugelfabrik.
Anja Sokolow
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