
© Andreas Klaer
Kanzlei in Babelsberg mit Farbe beschmiert: Anwalt vertrat Pflegerin, die vier Menschen im Oberlinhaus ermordete
Unbekannte werfen dem Verteidiger in einem Bekennerschreiben behindertenfeindliche Motive vor. Rechtsanwalt weist die Vorwürfe zurück.
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Die Fassade eines Hauses in der Babelsberger Lessingstraße, in dem sich die Kanzlei des Rechtsanwalts Henry Timm befindet, wurde von Unbekannten mit Farbe beschmiert. Dabei wurde der Schriftzug „Ableismus benennen“ aufgemalt. Timm hatte im Prozess um die vier Morde im Thusnelda-von-Saldern-Hauses vor zwei Jahren die angeklagte und später verurteilte Pflegerin verteidigt.
Die Schmierereien erfolgten im Zusammenhang mit dem zweiten Jahrestag der Taten in der Nacht zum 28. April. Einen Tag später wurde auf der Seite indymedia.org ein Bekennerschreiben veröffentlicht. Darin wird dem Verteidiger, dem Gericht, der psychologischen Gutachterin und der Presse eine Mitschuld an der Tat, bei der vier Menschen getötet wurden, unterstellt. Die drei Säulen der Staatsgewalt seien „von Grund auf ableistisch und behindertenfeindlich“. Die ehemalige Oberlin-Pflegerin habe aus behindertenfeindlichen Motiven gehandelt, dies habe jedoch während des Prozesses keine Rolle gespielt. Dem Rechtsanwalt sei deshalb ein „Denkzettel“ verpasst worden, so die Verfasser des anonymen Bekennerschreibens.
„Ich bin fassungslos“, sagte Henry Timm den PNN. Er sei bereit, über die Tat und das Verfahren zu diskutieren. Solche anonymen Taten gingen jedoch zu weit. Das Schreiben rüttle an den Grundfesten der Demokratie, wenn deren Institutionen infrage gestellt würden. Zusätzlich seien unbeteiligte Dritte betroffen. Einer der auf die Fassade geworfenen Farbbeutel traf das Fenster von Mietern des Hauses im Obergeschoss. Er habe die Tat bei der Polizei angezeigt, so Timm.
Timm macht zudem auf einen Widerspruch des Schreibens aufmerksam. Darin heißt es, „Wir lehnen grundsätzlich Gefängnisse und andere repressive staatliche Gewalt ab“. Die Strafe der verurteilten Pflegerin wird aber als zu gering eingestuft. Die Frau sei wegen verminderter Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt zur möglichen Höchststrafe von 15 Jahren und zusätzlich zur Unterbringung in einer forensischen Klinik verurteilt worden, sagt Timm. Den Vorwurf, er habe als Verteidiger behindertenfeindlich gehandelt, weist er zurück. Die Parolen auf der Hausfassade wurden inzwischen übermalt.
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