Landeshauptstadt: Katerstimmung
SPD scheint nach Scheitern des Kirsch-Rauswurfs ratlos – Schubert schließt Rücktritt nicht aus
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Es ist der Tag danach – und bei den Potsdamer Sozialdemokraten herrschen Bestürzung und Ratlosigkeit. Am Montagabend scheiterte der Fraktions-Rauswurf des Stadtverordneten Wolfhard Kirsch: Die Zwei-Drittel-Mehrheit wurde um eine Stimme verfehlt (PNN berichteten).
Oberbürgermeister Jann Jakobs teilte gestern mit, er habe die Entscheidung der Fraktion für Kirsch „mit Bestürzung“ zur Kenntnis genommen. Gegen den Fraktionsausschluss zu stimmen sei „fahrlässig“ und „für die gesamte Stadtpolitik eine schlechte Entscheidung“, so Jakobs. Damit seien eindeutige Beschlüsse der Parteigremien ignoriert worden. Der Oberbürgermeister appellierte, die „Dickfelligkeit eines Einzelnen mit seinen wenigen Unterstützern darf Fraktion und Partei nicht beirren“. Schubert solle Fraktionschef bleiben.
Eine Entscheidung für oder gegen einen Rücktritt habe er noch nicht getroffen, sagte Schubert gestern bei einer Pressekonferenz. Die Solidaritätsbekundungen von Oberbürgermeister Jakobs und Potsdams SPD-Chef Rainer Speer hätten ihn zwar bestärkt. Dass ihm die Fraktion im Anschluss an die Kirsch-Abstimmung mit neun Ja-Stimmen bei einer Enthaltung das Vertrauen ausgesprochen hat, sei dagegen kein Argument. „Man hat mir an einem Abend gleichzeitig das Vertrauen entzogen und ausgesprochen – das ist ein Paradoxon, an dem ich knabbere“, sagte Schubert gestern. Bis Montag will er entschieden haben.
So ratlos wie der Fraktionschef erscheint derzeit auch die SPD. Es ist unklar, wie der Minderheit für Kirsch und einer künftigen Arbeit mit dem ungewollten Stadtverordneten begegnet werden soll. Einen erneuten Versuch, Kirsch auszuschließen, werde es zunächst wohl nicht geben, sagte Schubert. Er räumte aber ein, dass es mit Kirsch einen ständigen Konfliktherd geben werde – dennoch werde er „keinen Zentimeter“ von seiner Meinung abweichen: Er sei wie die Mehrheit der SPD für einen freien Uferweg und die Nutzbarkeit der Uferzone am Griebnitzsee. Für die Potsdamer Bürger sei aber bereits jetzt „die Grenze des Zumutbaren erreicht, das müssen Partei und Fraktion wissen“. Schubert wertet die unerwartete Stimme für Kirsch auch als Stimme gegen Einigkeit zwischen Fraktion und Partei. Ohne Geschlossenheit bekomme die SPD aber „Schwierigkeiten“, dies hätten Frankfurt (Oder) und Brandenburg (Havel) gezeigt – dort regiert die SPD nicht mehr. In Cottbus wird am Sonntag neu gewählt. In Potsdam ist 2008 Kommunalwahl, Schuberts Ziel ist es, dass die SPD wieder stärkste Fraktion wird: „Ich weiß nicht, ob es mir nun noch möglich ist, meine Politik zu machen.“ Zugleich räumte Schubert Fehler im Umgang mit Kirsch ein: Er habe nicht öffentlich reagiert, als Kirsch im Sommer den Uferweg über sein Grundstück von drei Metern auf 90 Zentimeter Breite schrumpfte und Spaziergänger durch Matsch laufen mussten. „Ich habe zu lange gewartet mir einzugestehen, dass er einen Privatkampf mit allen Mitteln führt.“ Ein Duell Schubert-Kirsch werde es aber nicht geben. Kirsch versuche dies, doch er werde es nicht zulassen, so Schubert.
Unterdessen sollen am 1. November die Stadtverordneten die Gelegenheit bekommen, sich zu Kirsch zu positionieren. Die Linkspartei.PDS hat einen Antrag eingebracht, mit dem der Beschluss für einen freien Uferweg „bekräftigt“ werden soll. Zudem sollen sich die Stadtverordneten vom Verhalten Kirschs „distanzieren“, denn er gefährde den Kompromiss mit den anderen Griebnitzsee-Anliegern und missbrauche seine öffentliche Funktion zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen. In Konsequenz könnten die Stadtverordneten Kirsch mit einem Mehrheitsvotum dazu auffordern, „sich die angesichts der Interessenkollision notwendige Zurückhaltung aufzuerlegen oder sein Mandat als Stadtverordneter niederzulegen“. S. Schicketanz
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