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Landeshauptstadt: Katholisch und die DDR

Vor der 150-Jahr-Feier versucht das St. Josefs Krankenhaus seine Geschichte aufzuarbeiten

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Wie war es möglich, dass es katholische Krankenhäuser in der DDR gab? Diese Frage versuchten Dr. Dieter Stolte, ehemals Leiter der Hauptvertretung Berlin des Deutschen Caritas-Verbandes und Günter Schigulski, von 1998 bis 2002 Verwaltungsdirektor am St. Josefs-Krankenhaus, in einer Podiumsdiskussion zu beantworten.

Das Krankenhaus versuche, die Geschichte aufzuarbeiten, sagte Prof. Eckart Frantz, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. Das St. Josefs-Krankenhaus begehe im Jahre 2012 sein 150-jähriges Bestehen und dieses Ereignis werfe schon jetzt seinen Schatten voraus.

Rückblickend erscheine manches wie ein Wunder, sagte Stolte, denn nach der weltanschaulichen Ausrichtung der DDR war die Kirche eigentlich zum Absterben verurteilt. „Es ging nur darum, ob dem nachgeholfen wird oder nicht.“ Die Verantwortlichen haben sich offensichtlich für das Letztere entschieden. Gewiss, die katholischen Einrichtungen waren in Focus des Ministeriums für Staatssicherheit ( MfS), bekannt ist die MfS-Abhöraffäre des Telefons vom Ost-Berliner Bischofsvertreter Alfred Bengsch. Belegt sind zahlreiche Benachteiligungen: bei der materiellen Versorgung, bei der Einstellung von Ärzten und der Absolventenlenkung, bei der Genehmigung von Baukapazitäten und Material. Dr. Christoph Kösters von der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, der das Gespräch führte, zeigte historische Fotos: eine Zeichnung des Karikaturisten Oskar mit Walter Ulbricht als Telefonhörer („einer hört mit“), aber auch ein Foto, das Erich Honecker mit dem Papst Johannes Paul in Rom zeigt. Die „merkwürdige zentralstaatliche Anerkennung“ habe unter anderem in der „fast unerklärbar hohen Akzeptanz der kirchlichen Krankenhäuser in der Bevölkerung“ ihren Grund, heißt es im Faltblatt für die Veranstaltung.

So ganz „unerklärbar“ war diese Akzeptanz nicht. Stolte berichtet von der kleinen Abteilung der Caritas-Zentralstelle, welche für die Ost-Krankenhäuser medizinische Geräte aus dem Westen beschaffte. So stand das erste Ultraschallgerät eben nicht in einem staatlichen sondern in einem Caritas-Krankenhaus.

Die Krankenhäuser seien ein „Schutzraum“ für „Übersiedlungsersuchende“, wie die Behörden Menschen nannten, die einen Ausreiseantrag gestellt hatten, gewesen. Ärzte waren es vor allem, die ihre Arbeit gekündigt hätten, denn als aktive Ärzte hätten sie wegen des Ärztemangels keine Genehmigungschance gehabt. Zwei zermürbende Jahre oft hätten sie auf den Bescheid ihres Ausreiseantrages warten müssen Sie arbeiteten in dieser Zeit in der Pflege oder in der Ambulanz. Ohne Arbeit hätten sie als „asozial“ gegolten und wären in Arbeitslager gesteckt worden.

Die Staatssicherheit und die Caritas – das ist ein spezielles Kapitel, über das Moderator Kösters ein Buch geschrieben hat. Mitteilungen über das Potsdamer St. Josefs-Krankenhaus gab es zu diesem Thema in der Diskussion nicht. Schigulski berichtet von einer merkwürdigen Stasi- Verstrickung in der Klinik Maria-Heimsuchung in Pankow, in der er 24 Jahre Verwaltungsdirektor war. „Eine superkatholische Mitarbeiterin arbeitete für die Stasi“, berichtet Schigulski noch heute sichtlich konsterniert. Nach Ausreiseanträgen eines Chef- und eines Oberarztes sei er von zwei MfS- Mitarbeitern, die ihn über die möglichen Gründe befragt hätten, aufgesucht worden.

Es habe innerkirchliche Kritik an den Krankenhäusern gegeben, erzählt Stolte. Sie zielte vor allem darauf, ob der von der DDR gewährte Handlungsspielraum, genügend genutzt wurde. Insgesamt sehe er im Wirken unter DDR-Bedingungen durchaus eine „Erfolgsgeschichte“, weil es möglich gewesen sei, den Kranken eine kirchlich motivierte Zuwendung zu geben. Und Verwaltungsexperte Schigulski spricht von der Einheit von Ökonomie und Diakonie, die nicht nur das Heilen zum Motiv hatte, sondern darüber hinaus das Heil der Menschen.G. Schenke

G. Schenke

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