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Wollen bleiben. Die Mietergemeinschaft des Musikerviertels würde die Häuser gern von der Pro Potsdam kaufen und ökologisch sanieren.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Kaufen statt ausziehen

Die Mietergemeinschaft Musikerviertel will ihre zum Verkauf stehenden Wohnungen selbst erwerben

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Babelsberg - „Wir bleiben“ verkündet eines von vielen bunten Schildern entlang der Großbeerenstraße 214 bis 226: Die Anwohner des sogenannten Musikerviertels fürchten um ihre Wohnungen und haben sich zur Mietergemeinschaft Musikerviertel zusammengeschlossen. Drei Grundstücke – 216, 218 und 226 – stehen seit etwa zwei Wochen offiziell zum Verkauf, drei weitere sollen in naher Zukunft folgen.

Die einzige Möglichkeit für die insgesamt 30 betroffenen Mieter, weiterhin in ihren Häusern bleiben zu können, wäre ein Kauf der Grundstücke. Die Idee der Mietergemeinschaft: Das Gebäudeensemble soll als zusammenhängender Wohnverbund erworben werden. Ein solcher ließe sich auch leichter durch Fördermaßnahmen erhalten, betont Mieter Roland Knorr: „Wir haben uns bereits beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung beworben: Das vergibt Fördermittel in sechsstelliger Höhe an innovative Projekte für nachhaltige Stadtentwicklung.“

Unter anderem ließen sich die Häuser dadurch ökologisch sanieren. Und saniert werden müssten die Häuser nach dem Erwerb dringend: „Fassaden, Dächer, undichte Wasserrohre“, zählt Anwohner Jan Mertens auf. „Da ist zum Teil seit Jahren nichts gemacht worden.“ Der Grund dafür liegt in den jahrelang ungeklärten Eigentumsverhältnissen mit dem früheren Träger der Grundstücke, der Maschinenbau-Firma Orenstein und Koppel.

Roland Knorr wohnt seit zehn Jahren in einer der ehemaligen Maschinenbauer-Wohnungen. Für ihn und seine Nachbarn ist das Musikerviertel nicht nur eine Reihe von Häusern, sondern ein natürlich gewachsener Kiez: „Hier leben mehrere Generationen zusammen, es gibt viele Familien mit Kindern. An anderen Stellen in der Stadt wird eine solche soziale Durchmischung mit viel Geld gefördert.“ Mertens lebt schon seit 20 Jahren hier, bereits seine Großeltern haben das Haus bewohnt: „Man würde nicht nur Wohnraum verlieren, sondern die ganze hier bestehende Integrität.“ Zu den ältesten Mitgliedern der Gemeinschaft zählt Dora Georgius. Sie wohnt seit 47 Jahren hier: „Ich wohne gerne hier, es ist eine gute Lage und man hat viele Einkaufsmöglichkeiten direkt vor der Tür.“

Ähnlich wie im Fall der Heidesiedlung sind die betroffenen Grundstücke durch Restitutionsansprüche seit etwa zwei Jahren im Besitz der kommunalen Immobilienholding Pro Potsdam. Von den Verkaufsplänen erfuhr ein Teil der Mieter zuerst im Sommer, im September gab es ein erstes Informationsgespräch mit der Pro Potsdam. Die Befürchtung der Anwohner: Wenn demnächst neue Eigentümer die Objekte übernehmen, müssen die alten Mieter aufgrund von Eigenbedarfskündigungen ihre Wohnungen verlassen.

In der Heidesiedlung kam es nicht dazu: 2012 wollte die Pro Potsdam die 90 Wohnungen eigentlich verkaufen, doch nach Protesten der Anwohner entschied sich das Unternehmen dazu, das Quartier ab April 2015 sozialverträglich zu sanieren. Die Kosten dafür liegen laut Pro-Potsdam-Sprecherin Jessica Beulshausen bei rund acht Millionen Euro: „Während der Baumaßnahmen werden den Mietern Ersatzwohnungen im Bestand der Pro Potsdam zur Verfügung gestellt. Für 28 Mieterhaushalte sind wir dabei, Umsetzwohnungen zu suchen.“

Auch im Falle des Musikerviertels gibt es Bewegung seitens der Pro Potsdam: Es habe vor wenigen Tagen ein Gespräch mit der Mietergemeinschaft gegeben, bestätigte Beulshausen. „Das Gespräch lief auf einer sehr konstruktiven Ebene ab und wir sehen jetzt wieder eine Perspektive“, sagt Knorr. Die Pro Potsdam zeigt sich grundsätzlich offen dafür, dass die alten Mieter die Wohnungen selbst erwerben können. Im Falle einer Kündigung will sie Ersatzwohnungen aus dem eigenen Bestand zur Verfügung stellen. „Es sieht ganz gut aus, aber wir müssen jetzt sehen, was die nächsten Gespräche ergeben“, sagt Knorr.

Es sind nicht die einzigen Restitutionsobjekte in Potsdam, deren Zukunft derzeit noch unklar ist: „Bezüglich der Siedlungen in der Behlertstraße, in der Albert-Einstein-Straße am Brauhausberg sowie in der Grünstraße befinden wir uns in einem Partizipationsprozess mit den Mietern, welcher vom Büro für Bürgerbeteiligung begleitet wird“, so Jessica Beulshausen. Dabei würden verschiedene Handlungsoptionen erörtert, so die Pro-Potsdam-Sprecherin, konkrete Aussagen zur Zukunft der jeweiligen Wohnsiedlungen könne man aber noch nicht treffen. „Am Ende des Beteiligungsverfahrens sollen der Stadtpolitik Möglichkeiten zum Umgang mit den Siedlungen präsentiert werden“, so Beulshausen.

Neue Erkenntnisse zur Zukunft des Musikerviertels könnten sich am Mittwoch ergeben: Dann soll auf Antrag der Linksfraktion im Hauptausschuss über das Thema verhandelt werden.

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