Landeshauptstadt: (Kehrt)Wende im Denkmalschutz
Neues Gesetz: Potsdam fürchtet „Entmündigung“ / Verfall vorprogrammiert?
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Neues Gesetz: Potsdam fürchtet „Entmündigung“ / Verfall vorprogrammiert? Von Günter Schenke Eine „Entmündigung“ der Kommune beim Denkmalschutz fürchtet die Mehrheit der Potsdamer Stadtverordneten, wenn das von Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) vorgelegte neue Gesetz durchkommt. Die Verordneten fordern daher den Landtag auf, die vorgesehenen Neuregelungen zu überdenken. Der Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde Andreas Kalesse kann aus dem Fenster seines Dienstzimmers auf die desolaten Fassaden der anderen Straßenseite schauen. „Der Schutz von Denkmalen ohne Geld nutzt gar nichts“, sagt er lakonisch. Zur Novelle des Denkmalschutzgesetzes darf er sich nach einer internen Absprache der Verwaltung jedoch nicht öffentlich äußern. Er verweist aufs Internet, in dem Wirtschaftsverbände und der Städte- und Gemeindebund Brandenburg ihren Widerstand artikulieren. Es geht vor allem um das Verfahren zur Eintragung. Diese soll „per Federstrich“ auf Landesebene erfolgen. Damit wäre ein sprunghafter Anstieg der eingetragenen Denkmale vorprogrammiert. Von etwa 30000 Baudenkmalen sind gegenwärtig nur 10500 im Verzeichnis erfasst. Allein in Potsdam gibt es 6000 eingetragene Denkmale. Darin sind noch nicht einmal die der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten enthalten. Die Landesliste besteht also zu mehr als der Hälfte aus Potsdamer Denkmalen. Während die Schutzliste des Landes lediglich 30 Prozent des Bestandes enthält, sind es in Potsdam über 70 Prozent. In einem Stahlschrank beim Stadtkonservator „warten“ weitere 900 Objekte in Form von Expertisen auf Eintragung. 449936 Euro Fördermittel verbrauchte die Stadt in acht Jahren für diese Erfassung. Doch künftig soll die Eintragung von Wünsdorf aus erfolgen – Potsdam hat keinen Einfluss mehr. Kalesse hält hingegen das bisherige Dialogverfahren für das sinnvollste Vorgehen. Was derzeit im Vorfeld geklärt werde, müsse künftig bei der Baugenehmigung nachgeholt werden. Vom „nachrichtlichen“ Eintragungsverfahren verspricht sich die Landesregierung eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes der Unteren Denkmalschutzbehörde, schnellere Klarheit für die Eigentümer und eine längere Denkmalliste. Einen Verwaltungsakt unter Beteiligung der Fachleute vor Ort gibt es nicht mehr, auch kein Widerspruchsrecht der Betroffenen. Letzteren bleibt dann nur noch die Feststellungsklage bei Gericht. Die Zahl der in Potsdam unter Schutz gestellten Denkmale blieb in den letzten Jahren gemessen an den Akten in Kalesses Stahlschrank bescheiden: 22 im Jahre 2002, etwa 70 im Jahre 2003. „Wir stellen nur nach Bedarf unter Schutz“, erklärt der Stadtkonservator. Da es an Fördermitteln fehle, sei die Steuerabschreibung oft die einzige – sogar recht lukrative – Möglichkeit, ein erhaltenswertes Gebäude vor dem Verfall zu retten. Grundstücksmakler nutzen daher weidlich den Fundus im Bereich Denkmalpflege in der Lindenstraße, um sich ein Bild über die Schutzwürdigkeit zu machen. Allein die hiesige Plansammlung enthält 30000 Dokumente. Dazu kommen viereinhalbtausend Exemplare der Acta Specialia. Praktisch ist jedes Gebäude in der Stadt erfasst. Die Landesbehörde in Wünsdorf verfügt naturgemäß nur über einen geringen Teil der Kenntnis der Untere Denkmalschutzbehörde vor Ort. Der Städte- und Gemeindebund spricht sich ebenfalls dafür aus, das Verzeichnis der Denkmale bei den Unteren Denkmalschutzbehörden zu belassen: „Es ist auch nicht zu erkennen, wie vor Ort bürgerschaftliches Engagement geweckt werden kann, wenn die Zuständigkeit für die Eintragung von Denkmalen den Kommunen genommen und damit einer Unterschutzstellung durch die örtliche Behörde im Dialog mit dem Eigentümer der Boden entzogen wird.“
Günter Schenke
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