
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Kein Ende in Sicht
Betrugsaffäre um Bildungsdienstleister Educon: Drei Staatsanwaltschaften ermitteln / Land will neun Millionen Euro zurück
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Die Ermittlungen in der Betrugsaffäre um den privaten Bildungsdienstleister Educon weiten sich aus. Nunmehr ermitteln in der Angelegenheit nach PNN-Informationen drei Staatsanwaltschaften – in Potsdam schon seit etwa zwei Jahren, inzwischen aber auch in Bochum und Neuruppin. Zugleich sind die Ermittlungen der Potsdamer Justizbehörde von vier auf mittlerweile sieben Beschuldigte „ausgedehnt“ worden, sagte Bianca Stohr, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, auf PNN- Anfrage. Es handele sich um „Verantwortungsträger“ bei Educon. Es gehe um den Verdacht auf Betrug, Untreue, Subventionsbetrug und inzwischen auch Insolvenzverschleppung. Auch die Zahl der Ermittler wurde aufgestockt: Seit einem dreiviertel Jahr seien zwei Mitarbeiter des Landeskriminalamts und drei aus der Staatsanwaltschaft mit dem umfangreichen Fall betraut, so Stohr – zuvor mussten sich ein Jahr lang zwei Staatsanwälte die Arbeit teilen. Ein Ende der Ermittlungen sei „ nicht absehbar“.
In der Affäre geht es um Vorwürfe, die Educon immer bestritten hatte. Ermittler vermuten, die Leitung des Bildungsträgers habe Schülerzahlen gefälscht, um vom brandenburgischen Bildungsministerium Zuschüsse in Millionenhöhe zu kassieren. Deswegen hatte das Land im Frühsommer 2010 drei staatlich geförderte Schulen des Bildungsträgers in Potsdam und Cottbus geschlossen. Mittlerweile fordert das Land – inklusive Zinsen – rund neun Millionen Euro von zwei Schulträgern der Educon-Gruppe zurück, sagte Antje Grabley, Sprecherin des Bildungsministeriums, den PNN auf Anfrage. Nach „mehrfacher Mahnung“ sei nun die Landeshauptkasse des Finanzministeriums mit der Vollstreckung beauftragt – bislang gebe es kein Ergebnis. Als „problematisch“ habe es sich erwiesen, „dass es sich bei der angegebenen zustellungsfähigen Adresse der Träger offensichtlich um eine Briefkastenadresse handelt“, so Grabley.
Nicht nur das Land sucht nach Educon-Verantwortlichen. Auch bei den PNN melden sich noch regelmäßig Schüler und Ex-Dozenten, die von Educon Zeugnisse, Löhne oder Schadensersatz verlangen. Auch sie haben offenbar keinen Erfolg: Bisher ist kein Fall bekannt geworden, in dem gerichtlich bestätigte Forderungen auch zugestellt werden konnten. An einstigen Educon-Standorten sei niemand anzutreffen, schildern Betroffene. Die Internetseiten der Unternehmensgruppe sind abgeschaltet, der Geschäftsbetrieb ruht.
Ein Name taucht bei den Ermittlungen immer wieder auf: Carina H., die frühere Chefin des Unternehmens, 49 Jahre alt, Ex-Potsdamerin. Gegen sie wird nicht nur in Potsdam, sondern auch in Bochum und Neuruppin ermittelt. „Es geht dabei um den Vorwurf des Betrugs in Zusammenhang mit Educon“, sagte der Bochumer Oberstaatsanwalt Christian Kuhnert den PNN auf Anfrage. Details nannte er nicht. In Bochum hatte Educon eine staatlich nicht geförderte Berufsfachschule betrieben. Auch in Neuruppin werde gegen Carina H. wegen Betrugs ermittelt, bestätigte ein Sprecher der dortigen Staatsanwaltschaft. Es werde momentan aber geprüft, ob das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Potsdam abgegeben werde.
Einen bemerkenswerten Umstand gibt es bei den Verfahren in Bochum und Neuruppin: Die Staatsanwälte dort haben jeweils ein Aufenthaltsermittlungsverfahren gegen H. eingeleitet. „Uns ist keine Adresse von ihr bekannt“, sagte Oberstaatsanwalt Kuhnert aus Bochum. Wie berichtet war H. nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Educon nach Großbritannien gezogen – dort gibt es anders als in Deutschland keine Meldepflicht für Bürger. Auch in Neuruppin gibt es „keine Erkenntnisse“ darüber, wo sich H. befinde, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Dagegen sagte Sprecherin Stohr in Potsdam, der hiesigen Staatsanwaltschaft sei der Wohnsitz von H. in England bekannt. Es lägen keine Gründe für eine Untersuchungshaft vor, etwa wegen Fluchtgefahr.
Versuche der Kontaktaufnahme der PNN über Anwälte von H. sind bisher erfolglos geblieben – unklar ist damit auch der Fortgang eines Insolvenzverfahrens von H. in Großbritannien über mehr als 30 Millionen Euro (PNN berichteten).
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