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Landeshauptstadt: Kein Führer befiehlt

Die Potsdamer Neonazi-Szene ist weit von organisierten Strukturen entfernt

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Potsdam - Potsdams rechtsextreme Szene ist nach Ansicht des Verfassungs- und des polizeilichen Staatsschutzes Brandenburgs derzeit führerlos. „Die vier maßgeblichen Personen, die ansatzweise in der Lage waren, die Szene etwas zusammenzuhalten, sitzen nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten im Vorjahr alle im Gefängnis – für mehr als drei Jahre“, sagte gestern ein ranghoher brandenburgischer Sicherheitsbeamter gegenüber den PNN.

Auch die meist von der linken Szene vertretene Auffassung, die Rechten in Potsdam hätten einen hohen Organisationsgrad, sei „schlicht falsch“, Potsdam sei verglichen mit anderen Regionen Brandenburgs auch keine rechte Hochburg. Eine kürzlich vorgestellte Studie der Universität Potsdam, nennt die Chefin des Landesverfassungsschutzes, Winnfriede Schreiber „wenig überzeugend“, da „nicht fundiert“. In der Universitätsstadt sei zwar gefährliches Schläger-, aber kein intellektuelles rechtes Potenzial vorhanden, so ein Staatsschützer.

Nach Angaben der Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums lebt zwar – wie berichtet – jeder vierte rechtsextreme Brandenburger in der Landeshauptstadt (150 von 570). Doch anders als etwa im Havelland, Teilen der Ostprignitz, der Lausitz oder im östlichen Berliner Umland handele es sich in Potsdam um „eine eher lose, nicht strukturierte Personengruppe ohne feste Führung“, die nicht strategisch, sondern eher unberechenbar spontan zuschlage, sagt ein Verfassungsschützer. Strukturen wie im Havelland, wo sich Jugendliche zur terroristischen Vereinigung „Kameradschaft Havelland“ zusammengeschlossen und Brandanschläge verübt hatten, um Ausländer aus der Region zu vertreiben, seien in Potsdam nicht mal ansatzweise erkennbar.

Dass ein großer Teil der brandenburgischen Rechtsextremen in Potsdam wohne, ist nach Ansicht von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) auch dem Umstand geschuldet, dass Potsdam die mit Abstand größte Stadt im Land sei.

Sicherheitsexperten verweisen auch darauf, dass es den Rechten in Potsdam bis heute nicht wie in anderen Landesteilen gelungen sei, ganze Stadtteile „zu besetzen“. Es gebe in der eher „links geprägten Unistadt“ keine echten No-Go-Areas – allerdings Problemgebiete. „In den Gegenden mit den größten sozialen Problemen, haben wir auch mehr Rechtsextreme – also in den Plattenbaugebieten“, sagt ein Staatsschützer.

Die einzig wirklich feste Struktur, die Staats- und Verfassungsschutz bei Potsdams Rechtsextremen ausgemacht haben, sind relativ stabile Verbindungen zur Berliner Szene. Das bringt nach Ansicht von Sicherheitsexperten den Potsdamern aber lediglich personelle Verstärkung bei gewalttätigen Auseinandersetzungen. „Aber den Berliner Organisationsgrad“, sagt ein Staatsschützer, „haben die Potsdamer nicht, den bekommen die nicht übertragen.“ Ein Verfassungsschützer fügt an: „Das kriegen die intellektuell nicht hin.“ Peter Tiede

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