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Landeshauptstadt: Kein leichtes Wiedervereinen

Nicht alles, was im Westen funktionierte, passte zum Osten – Beispiel: Groß Glienicke

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Nicht alles, was im Westen funktionierte, passte zum Osten – Beispiel: Groß Glienicke Mit der Kommunalwahl am 26. Oktober soll Potsdam per Eingemeindung sechs neue Ortsteile bekommen, die an dieser Stelle vorgestellt werden. Heute: Groß Glienicke Von Winfried Gutzeit „Man sollte sich immer zusammen raufen, die gemeinsamen Ansatzpunkte suchen und die Projekte vorantreiben“, rät der Groß-Glienicker Bürgermeister Daniel Dörr dem künftigen Ortsbeirat von Groß Glienicke. Immerhin hat die Gemeindevertretung der größten Gemeinde des Amtes Fahrland fünf „bewegte Jahre“ hinter sich. „Wir hatten oft Streit“, blickt er zurück. Als Dörr 1998 zum Bürgermeister gewählt wurde, war die Infrastruktur im Ort so gut wie gar nicht entwickelt, die planerische Seite ebenfalls noch am Beginn. „Damals waren nur die beiden Neubaugebieten ,An der Kirche’ und ,Albrechtshof’ und das Gebiet nördlich der Potsdamer Chaussee an die zentrale Abwasserentsorgung angeschlossen und hatten neue Straßen“, stellt er fest. Inzwischen sind zwei Drittel der Gemeinde an der zentralen Abwasserentsorgung angeschlossen. „Bedenklicher ist aber der Zustand der Wasserleitungen. Ein Teil davon liegt seit mehr als 60 Jahren in der Erde, immer wieder platzen die alten Rohre und setzen die Straßen unter Wasser.“ Beim Straßenbau ist die Gemeinde noch weiter zurück. „Daran hat sich immer wieder die öffentliche Diskussion entzündet.“ Groß Glienicke hatte in den 90er Jahren einen enormen Zuwachs zu verzeichnen, unter den Neubürgern kommt die Mehrheit aus dem Westteil Deutschlands. „Viele von ihnen wurden aktiv, das zeigte sich in einer Vielzahl von Eltern- und Bürgerinitiativen.“ Das hat dann viele Alteingesessene im Ort und in der Gemeindevertretung verunsichert. Die Erfahrungen der alteingesessenen und der Neubürger sind seiner Meinung nach sehr unterschiedlich. „Viele Groß Glienicker haben durch die Wendezeit gemerkt, dass man um vieles kämpfen kann, wie etwa um die Einrichtung der Realschule in der Waldsiedlung oder den Neubau der Grundschule.“ Er habe sich die Aufgabe als Bürgermeister vielleicht zu einfach vorgestellt: „Ich hatte bereits Erfahrung in der Kommunalpolitik und bin Volljurist für Kommunalrecht, für mich sahen die Probleme leicht lösbar aus“, sagt er. Man hole sich eine Satzung, die schon gerichtsfest ist, von einer vergleichbaren Kommune im Westen und übertrage sie auf den Ort, dachte er. Da entstanden jedoch sofort Widerstände bei den Groß-Glienicker Gemeindevertretern. Bald kam es zur Polarisierung, die schließlich in der Bildung der „Fraktion für Kompetenz und Vernunft“ mündete und bei der sich die SPD-Fraktion am Schluss beinahe aufgerieben hätte. Mit der Entwicklung der Infrastruktur wurde erst so spät begonnen, weil die vorherige Gemeindevertretung andere Prioritäten gesetzt hatte. „Es wurde in der Waldsiedlung eine Realschule eingerichtet und die alte Schulbaracke im Hechtsprung durch einen Grundschulneubau ersetzt.“ Jedoch ist durch die Kitas und die beiden Schulen die Grundlast bei den ständigen Ausgaben sehr hoch. „Diese Kosten durch die sozialen Einrichtungen sind einfach zu hoch für eine Gemeinde von 3400 Einwohnern.“ Zudem kommen die Kinder zu einem erheblichen Teil aus anderen Gemeinden, die Last bleibe aber an Groß Glienicke hängen. „Ob sich das Potsdam in Zukunft leisten wird, ist fraglich.“ Recht stolz ist die Gemeinde auf das Begegnungshaus, das Anfang 1999 gerade „auf feste Füße gestellt“ wurde. Mit Hilfe der Gemeinde wurden auch zwei Sozialarbeiterstellen möglich. „Im Begegnungshaus findet ein großer Teil des Gemeindelebens statt“, schätzt Dörr ein. Daniel Dörr kandidiert jetzt weder für die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung noch für den Ortsbeirat. „Ich ziehe mich aber nur als Mandatsträger zurück und bleibe weiterhin in der Kommunalpolitik“, sagt er. Ein kleiner Schatten liegt über dem Abschluss der Legislaturperiode: Die Gemeindevertretung hat jetzt einen Bürgerentscheid über den Hortneubau durch Beugung des Kommunalrechts und Terminverzögerung verhindert. „Das hat die betroffenen Bürger sehr aufgeregt.“ Es sei doch völlig normal, dass man in einem parlamentarischen Prozess miteinander streitet, auch über solche Fragen. „Aber die Angriffe waren oftmals sehr unsachlich, und das tat weh."

Winfried Gutzeit

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