Landeshauptstadt: Kein Platz für jüdische Feiertage
Potsdams Juden müssen zum Neujahrsfest und für Yom Kippur nach Berlin ausweichen/Gemeinderäume in der Landeshauptstadt zu klein
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Potsdams Juden müssen zum Neujahrsfest und für Yom Kippur nach Berlin ausweichen/Gemeinderäume in der Landeshauptstadt zu klein Von Nicola Klusemann Im Herbst ballen sich die jüdischen Feiertage: Am 26. September ist Neujahrsfest, im Oktober werden der Versöhnungstag Yom Kippur und Sukkot, das Laubhüttenfest, begangen. Diese Festtage möchten auch die rund 350 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Potsdams zum Teil gemeinsam begehen. Allein: Es fehlt der Raum. Als die Gemeinde im März dieses Jahres in die Schlossstraße 1 umzog, habe man ihr versprochen, dass drei der Räume in der ersten Etage durch das Einreißen von Wänden zu einem Gemeinderaum zusammengezogen werden könnten, in dem rund 80 Juden Platz hätten. Bislang sei aber noch nichts veranlasst, erklärt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Mikhail E. Chvarts. Die Pläne würden im Hause bearbeitet, bestätigte Norbert Drews, Sprecher des brandenburgischen Kulturministeriums, auf PNN-Anfrage. Ein Auftrag sei allerdings noch nicht erteilt. „So dass die meisten unserer Mitglieder wahrscheinlich nach Berlin ausweichen, um dort die jüdischen Feiertage zu begehen“, vermutet Chvarts. Auch für den wöchentlichen gemeinsamen Sabbat fehle der Platz. Um in der Gemeinschaft feiern zu können, habe der Rabbiner Nachum Presman ein Zimmer in seinem Haus zu einem Gebetsraum umgestaltet. Die Kapazität ist allerdings begrenzt. Auch die nach wie vor finanziell unsichere Situation seiner Gemeinde macht dem Vorsitzenden zu schaffen. Wenn man Chvarts fragt, wie es den Juden in Potsdam geht, antwortet er knapp: „Schlecht“. Die Jüdische Gemeinde Potsdam ist die größte von insgesamt sieben im Land. Sie halte sich mit Mitgliedsbeiträgen – pro Person zwei Euro im Monat – SAM-Stellen, Honorarkräften, ehrenamtliche Arbeit, Spenden und Projektzuweisungen über Wasser. So hätten die Stadt und das Land ihnen geholfen. Für das Auflegen der Monatszeitschrift „Alef“ gebe es beispielsweise 4300 Euro im Jahr. Auch das Sommerferienlager für die Gemeindekinder hätte das Ministerium mitfinanziert. „Dafür sind wir wirklich dankbar“, so Mikhail Chvarts. Dringend notwendig sei jetzt zum Beispiel die Restaurierung der Thora-Rolle sowie die Anschaffung von Gebetsbüchern. „Dafür haben wir einen Kostenvoranschlag verlangt.“ Grundsätzlich bestünde die Bereitschaft zu helfen, so Ministeriumssprecher Drews. Und doch ist die Jüdische Gemeinde um ihre Zukunft besorgt, der mangelnden finanziellen Sicherheiten wegen. Die Gemeinde im Verbund des Landesverbandes trägt die alten Schulden der Landesgemeinde Brandenburg mit. Sie beliefen sich nach ihren Angaben auf 460000 Euro. Die Zuschüsse von jährlich rund 150000 Euro waren nach Bekanntwerden großer Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von Fördergeldern durch den damaligen Vorstand im Jahr 2000 ausgesetzt worden. Nun versucht Kulturministerin Johanna Wanka die finanzielle Genesung des Landesverbandes voranzutreiben. In dem immer noch in Arbeit befindlichen Staatsvertrag zwischen der Jüdischen Gemeinde und dem Land Brandenburg, in dem unter anderem eine regelmäßige Finanzierung verankert werden soll, werde auch der Umgang mit der Verschuldung geregelt, sagt Ministeriumssprecher Norbert Drews. Man denke über Stundung oder gar Löschung nach. Brandenburg ist bundesweit das einzige Bundesland ohne Staatsvertrag. Immer noch werde an Details gearbeitet, so Drews. Die Schuldenregulierung sei dabei ein wesentlicher Punkt, der das Aushandeln erschwere. Der neue Potsdamer Gemeindesitz in der Schlossstraße könne natürlich auch nur eine Übergangslösung sein, erklärte der Vorsitzende. Am Aufbau einer eigenen Synagoge hielte die Gemeinde nach wie vor fest. Als Baugrund favorisierten die Juden das Grundstück Am Kanal 1. Der Kaufpreis betrage zwei Millionen Euro, einen Betrag, den man nicht habe. Auch fehle das Verständnis. Schließlich sei die einstige Potsdamer Jüdische Gemeinde, in der Chvarts“ Großvater Mitglied war, 1938 von den Nationalsozialisten enteignet worden. Für das Grundstück am heutigen Platz der Einheit sei ein „symbolischer Betrag“ von rund 50000 Reichsmark gezahlt worden. Das Geld ging auf ein Treuhandkonto der Dresdner Bank. Die sehe sich aber heute nicht mehr in der Pflicht, so haben Chvarts“ Recherchen ergeben. Bis jetzt warte man also auf eine angemessene Entschädigung für die Missetaten aus jener Zeit. Geld für einen Synagogenbau nämlich könne man von emigrierten Juden in den Vereinigten Staaten von Amerika bekommen. Einige seiner früheren Studenten hätten diesbezüglich schon etwas unternommen, erklärt der Professor. So könnten Juden aus Übersee einen Stammplatz in der Potsdamer Synagoge kaufen und durch ihren Vorabbeitrag den Bau befördern. Dafür würde ein Betstuhl mit ihrem Namen versehen. Beispiele für solche Initiativen gebe es schon in Berlin und Dresden – von Erfolg gekrönt.
Nicola Klusemann
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