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Landeshauptstadt: Kein Schnickschnack

Horst Lichter kochte mit Kunden der Tafel. Verwirrung gibt es aber um die geplante neue Ausgabestelle

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Sogar eine rheinische Frohnatur vermochte es nicht, am gestrigen Sonntag die Stimmung unter den Verantwortlichen der Potsdamer Tafel restlos aufzuhellen: Der Gute-Laune-Fernsehkoch Horst Lichter war im Berufsbildungswerk des Oberlinhauses zu Gast, um in der dortigen Lehrküche gemeinsam mit Kunden der Potsdamer Tafel zu kochen. Doch so richtig vergnügt zeigten sich weder Tafel-Sprecherin Maria Conze noch Schatzmeisterin Imke Eisenblätter.

Grund für den Unmut der beiden Frauen sind Querelen um die geplante Eröffnung der neuen Ausgabestelle für Lebensmittel in der Drewitzer Straße. „Sehr verärgert“ sei man über das Verhalten der Potsdamer Stadtverwaltung, sagte Tafel-Schatzmeisterin Eisenblätter. Mit der Stadt sei ursprünglich mündlich vereinbart gewesen, dass die Tafel das Gebäude am Rande der Waldstadt kostenlos nutzen dürfe. Nur für die Betriebskosten sollte ein Entgelt gezahlt werden. Doch kurz vor Ostern habe man dann einen Schock bekommen: Der Entwurf des Mietvertrags sah plötzlich eine Monatsmiete von stolzen 2 150 Euro vor.

Nach Intervention bei den Verantwortlichen in der Verwaltung habe die Stadt schließlich einen Nachtrag zur Vereinbarung hinterhergeschoben. Demnach, so Eisenblätter, soll sich die Tafel verpflichten, jedes Jahr einen Fördermittelantrag zu stellen, um auf diese Weise die Miete erstattet zu bekommen. Hierzu sagte Eisenblätter nur: „Das ist definitiv nicht die Basis.“ Man benötige eine größere finanzielle Sicherheit. In den nächsten Tagen wolle man mit Potsdams Sozialbeigeordneter Elona Müller-Preinesberger (parteilos) ein Krisengespräch führen. Wann die Ausgabestelle eröffnen wird, könne sie im Moment überhaupt nicht abschätzen, so Eisenblätter.

Entwarnung gab indes Stadtsprecher Jan Brunzlow. Auf PNN-Anfrage teilte er am gestrigen Sonntag mit, dass die Stadt die Mietkosten für das vom Kommunalen Immobilienservice verwaltete Objekt übernehmen werde. Das sei fest zugesagt. Nur für die Betriebskosten des Gebäudes in der Drewitzer Straße werde die Tafel selbst aufkommen müssen.

Mietstreit hin oder her – am gestrigen Sonntag verbreitete Fernsehkoch Horst Lichter trotzdem viel Freude unter den etwa 30 Kunden der Potsdamer Tafel – darunter sieben Familien –, mit denen er gemeinsam kochte. Die Rezepte hatte der Koch mit dem markanten Zwirbelbart gleich selbst mitgebracht. Doch wer hier nun Hummer und Filet oder andere exquisite Köstlichkeiten erwartet hätte, liegt falsch. Denn Lichter präsentierte einfache Rezepte zum Nachkochen. Preiswerte Zutaten, kein Schnickschnack. Aber schmackhaft sollte es natürlich trotzdem sein.

„Eintopf ist immer richtig lecker“, sagte Lichter, nachdem er die Töpfe mit den schwimmenden Kartoffelstückchen, Gemüse und Wurstscheiben inspiziert hatte. Klar, Hummersüppchen hätte er natürlich auch auf die Speisekarte setzen können, meinte Lichter. Aber wenn die Tafel-Kunden das dann nachkochen wollen: „Ja, wie machen die das dann?“ Die feinen Delikatessen, das sei nun einmal „nicht das Leben dieser Leute“. Und seine Rezepte hier seien wirklich auch sehr lecker. Zustimmung kam da von Alida Müller, die gemeinsam mit ihrer Familie auf Einladung der Tafel das gestrige Kochvergnügen besuchte. „Ich finde den Salat sehr lecker, das Dressing war ganz außergewöhnlich“, meinte die junge Frau, die womöglich selbst bald ehrenamtlich bei der Lebensmittelausgabe der Tafel mitmachen wird.

Tafelbesucherin Hannelore Roß hingegen zeigte sich nicht so ganz versöhnt mit dem Eintopf: „Das ist mir ein bisschen zu fettig“, meinte die 63-Jährige. Doch Chefkoch Horst Lichter kam gestern auf originelle Weise etwaiger Kritik gleich zuvor: „Das Schöne ist, wenn man selber mitkocht, kann man nicht reklamieren.“ Lichter erzählte auch, warum er immer so fröhlich sei. Nachdem er schon im zarten Alter von 26 und 28 Jahren zwei Hirnschläge erlitten habe, sei er zu der Einstellung gelangt, im Leben nur noch Dinge machen zu wollen, die wirklich Freude bereiten. Und dann habe ihm jemand eines Tages auch noch ein 100-Zentimeter–Maßband geschenkt – für jedes Lebensjahr ein Zentimeter. 20 Zentimeter davon habe er gleich erst einmal weggerechnet. Bei seinen 51 Lebensjahren blieben da noch 29 Jahre übrig, erklärte Lichter. Sein Fazit: „Man weiß nie, wie lange man hat.“

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