Landeshauptstadt: Kein Wort
In einer „Stillen Stunde“ lernen Siebtklässler, wie sich Taube verständigen
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Den ersten Satz können die Schüler noch ganz gut entziffern: Sandra Baltermei legt zuerst Daumen und Zeigefinger der rechten Hand mit einer prägnanten Geste zusammen, lässt dann beide Hände flach in einer Halbkreisbewegung mit den Handflächen zum Körper nach oben steigen – wie eine aufgehende Sonne. „Guten Morgen“, schreibt die 33-Jährige an die Tafel. Nickende Köpfe in der Klasse 7b der Neuen Gesamtschule Babelsberg.
Statt Deutsch steht heute eine „Stille Stunde“ auf dem Plan. Die Idee dazu hatten LER-Lehrer Thomas Nowak und Klassenlehrer Carsten Sass. Ihnen geht es um „soziales Lernen“: „Die Schüler sollen einen anderen Horizont bekommen“, sagt Sass. Nach der Vorbereitung im Fach „Lebensgestaltung, Ethik, Religion“, wo die Klasse über das Leben mit Gehörlosigkeit gesprochen hat, folgt der Praxistest: Anderthalb Stunden lang soll kein Wort fallen. Sandra Baltermei, die als Sozialarbeiterin beim Integrationsfachdienst sonst Jugendliche mit Behinderungen bei der Berufswahl und im Arbeitsleben unterstützt, gibt den Schülern einen Einblick in die Gebärdensprache.
Und die ist gar nicht so einfach, wie nach wenigen Minuten klar wird. Sandra Baltermei hat dem Finger eine senkrechte Linie auf ihre Wange gezeichnet, direkt neben dem Mund. „Was machen wir?“, flüstert einer der Schüler seinem Nachbarn zu. Der kann auch nur mit den Schultern zucken. Es geht um den Namen – die Siebtklässler buchstabieren mit den Händen, ein Blatt mit den Handzeichen liegt vor ihnen auf den Tischen. Sandra Baltermei schreibt an die Tafel, was sie versteht. Statt Mariella steht erst „Marimlla“ an der Tafel, auch der Titus wird erst im zweiten Anlauf erkannt. Erleichterte Gesichter, wenn die Aktion erfolgreich war.
Am Ende der Stunde wird es doch laut. Die Schüler spielen eine Variante von „Stille Post“, bei der eine Gebärde weitergegeben und dann das passende Wort an die Tafel geschrieben wird – zwei Teams spielen gegeneinander. „Los, schnell“, feuern sich die Schüler an.
Am Ende sind alle zufrieden. „Am schwierigsten war, die Gebärden so schnell zu erkennen“, sagt die 13-jährige Sophie. Es sei spannend gewesen, nachzufühlen, wie man sich als Tauber verständigen kann.
„Mir hat’s Spaß gemacht“, meint auch der zwölfjährige Luca. „Die Schüler waren sehr aufmerksam“, sagt Klassenlehrer Carsten Sass anerkennend. Eine Wiederholung ist geplant.
Kontakt zu Sandra Baltermei unter Tel.: (0331) 27 57 934 oder per Mail an: baltermei@ifd-brandenburg.de
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