Landeshauptstadt: Keine Ahnung ist kein Problem
Aber das Wollen ist wichtig. Honorarkonsul Manfred Hans Schnell feiert seinen 70.
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Aber das Wollen ist wichtig. Honorarkonsul Manfred Hans Schnell feiert seinen 70. Von Guido Berg Er ist einer, der es, wie man so sagt, geschafft hat. Sein Haus leuchtet in herrschaftlichem Weiß, die Dachziegel sind blau. Durch die elektrisch öffnende Toreinfahrt führt ein Weg rechts in einem großen Bogen in die Tiefgarage, wo der blaue CLS 500, ein Acht-Zylinder-Mercedes, steht und auch der Wagen seiner Frau Maria Stella Esperanza Caridad Schnell, geborene Pimentel, eine charmante Frau, deren Cousin philippinischer Senator ist und die in Kürze ihr 300-Seiten Werk „Potsdamer Tagebuch“ herausbringt. Ein weiterer Weg führt zum Hauseingang, vor dem silbergrau eine neue S-Klasse steht, ein Geburtstagsgeschenk, sagt Manfred Hans Schnell. Über allem weht an einer langen weißen Stange die Fahne der „Republic of the Philippines“. So steht es auch auf dem Teller neben dem Staatsemblem, auf dem Frau Schnell für den Gast geschnittene brasilianische Mangos mit Vanillesoße serviert. Nein, nein, lacht er, der Mercedes-Händler hat ihm das Auto nur genau an seinem 70. Geburtstag am 6. Oktober zur Probefahrt gebracht. Interessant findet der philippinische Honorarkonsul mit Konsularsitz in der Potsdamer Hans- Thoma-Straße das Nachtsichtgerät des Fahrzeugs. Ob er die Limousine nehmen wird, weiß er noch nicht. Auf jeden Fall aber nicht in dieser Farbe. Der Mann im grauen Vier-Tage-Bart hat nichts geerbt. Außer vielleicht den Geist seines Vaters. An der Wand über dessen Schreibtisch hing ein Schild, „Ich will“ stand darauf. Sein Vater hatte eine Arzneimittelfirma in Mansfeld, Sachsen-Anhalt. Als die aber volkseigen und Hans Hermann Schnell nur Direktor seines eigenen Betriebes werden sollte, verdingte der sich lieber als Drogist. Sein Sohn erwarb sich seinen Wohlstand mit der eigenen Hände Arbeit und darauf ist Manfred Hans Schnell unverkennbar stolz. Seine Philosophie ist protestantisch, „jeder ist seines Glückes Schmied“. Er sagt auch, wenn man auf das Glück nur wartet, „dann kommt es nicht“. Nach einer Bergbaulehre in Staßfurt geht Manfred Hans Schnell ins damalige Westberlin. Seinen Koffer lässt er in einem Schließfach. Es wieder zu öffnen hat er erst nicht das nötige Kleingeld. Er arbeitet als Tagelöhner, findet ein Zimmer, fängt dann bei Siemens an. Zufällig belauscht er dort ein Telefonat: „Ich kann mir doch keinen Einrichter für die Bohrerei aus den Rippen schneiden“, schreit ein entnervter Siemens-Meister. Schnell erkennt die Chance und bringt sich ins Spiel. „Was, sie sind Einrichter für Bohrmaschinen?“ „Na ja, so was Ähnliches jedenfalls.“ Der Konsul steht neben dem Mercedes, dem silbergrauen, und macht feixend nach, wie er sich damals durchs Gestikulieren und Schultern hochziehen seinen ersten richtigen Job erschlich. „Und sie können technische Zeichnungen lesen?“ „Na klar!“ „Ich meine, lesen konnte ich ja wirklich“. Manfred Hans Schnell lacht. „Und es stand ja alles drauf.“ Nach vierzehn Tagen ist Schnell Schichtleiter in der Bohrerei und allgemein anerkannt. Doch Schnell muss immer wieder etwas Neues machen. Zusammen mit seiner damaligen Frau gründet er die erste Mal- und Zeichenschule für Kinder in Westberlin. Auch zum ersten Mal integrieren er und seine Frau behinderte Kinder in Gruppen gesunder Kinder. Heute selbstverständlich, damals ein Novum. Nachts fährt er Zeitungen aus. Wann er schläft? Gute Frage, „zwischendurch“. 1979 gründet er seine Siebdruckerei, anfangs auf 40 Quadratmetern. Und wieder kennt er keinen Acht-Stunden-Tag: Am Tag Aufträge ranholen, abends drucken, morgens ausliefern. Als er in eine Halle von 200 Quadratmetern zieht, kauft er auch eine neue Maschine. Sie kostet 12000 DM, er hat aber nur 3000. „Mit zitternden Händen“ unterschreibt er einen Wechsel über 9000 DM. Später hat er eine Druckmaschine für 2,5 Millionen „per Handschlag“ gekauft. Diese Maschine „war für viele Jahre sein Baby“, sagt Frau Pimentel-Schnell. Der Grund war die Wende, „plötzlich hatte ich gefährliche ostdeutsche Konkurrenz“, sagt Schnell. Die fingen an, ihn zu kopieren. Er war ein guter Siebdrucker, mittlerweile sogar Meister – ohne je diesen Beruf gelernt zu haben. Doch nun galt es, sich mit etwas Neuem abzusetzen. Zusammen mit einer Mailänder Firma entwickelt er eine 45 Meter lange Vier-Farb-Druckmaschine. Zuerst sagten alle, „jetzt bricht er sich die Ohren“. Heute sagen sie, „du mit deiner Maschine, da kommt keiner ran“. 13 Angestellte produzieren im „Druckhaus Meister Schnell“, gleich hinter seinem strahlend weißen Wohnhaus, Werbeplakate für Radios, Kinos und Kaufhäuser. Manche Spezialwünsche seiner Kunden sind knifflig, dann tüftelt er, bis sein „Baby“ auch diese Plakate in bester Vier-Farb-Qualität ausspuckt. Im Februar 1997 erlangt Schnell die Exequatur, die deutsche Anerkennung als Konsul. Vom „Corps consulaire“ hat er keine Ahnung. „Doch keine Ahnung ist kein Problem“, sagt er und verweist auf den Taxifahrer, der es zum deutschen Außenminister brachte, auf Joschka Fischer. Man schaffe eine Menge im Leben. „Wenn man will“.
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