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Von Theresa Münch: Keine Bibelsprüche Notfallseelsorger helfen in Krisensituation

Notfallseelsorger sind Menschen der ersten, der schrecklichsten Stunde. „Wir bleiben, bis die Seele die Realität wieder eingeholt hat“, erklärt Pfarrer Stefan Baier.

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Notfallseelsorger sind Menschen der ersten, der schrecklichsten Stunde. „Wir bleiben, bis die Seele die Realität wieder eingeholt hat“, erklärt Pfarrer Stefan Baier. Er und rund 220 weitere Seelsorger in Brandenburg kümmern sich um Unfallopfer, Angehörige und Einsatzkräfte - immer dann, wenn über die Menschen „gerade eine Lebenskatastrophe hereingebrochen ist“. Sie überbringen Todesnachrichten und bleiben bei den Angehörigen, bis „der soziale Anker wieder greift“, bis Familie oder Freunde eintreffen. Auch bei Bränden, Verkehrsunfällen oder Selbstmordversuchen sind die Seelsorger in den dunkelgrünen Jacken mit neongelbem Aufnäher zur Stelle.

„Wir versuchen, den Menschen in der Krise einen Schutzraum zu schaffen, so dass sie langsam wieder zu sich kommen können“, sagt Baier, der die brandenburgische Notfallseelsorge von Potsdam aus koordiniert. Alle Seelsorger arbeiten ehrenamtlich, „agieren aus einem christlichen Menschenbild heraus“. Das wichtigste Werkzeug aber ist nicht die Religion, sondern die eigene Empfindungsfähigkeit. Als Notfallseelsorger müsse man die Reaktionen des anderen aushalten können - ihr Schweigen ertragen. Hilfreicher als tröstende Worte ist es oft, „einfach nur präsent zu sein“, meint der Pfarrer.

691 Einsätze hatten die Brandenburger Notfallseelsorger im vergangenen Jahr - 150 mehr als noch 2006 und fast dreimal so viel wie 2001. Besonders in Potsdam, Brandenburg (Havel) und in Potsdam-Mittelmark werden die Helfer häufig gerufen. In einem Jahr, so erinnert sich Baier, hatte er 21 Einsätze. „Das ging an die Grenzen der Substanz.“ Besonders emotional und daher schwierig sind für ihn Einsätze mit toten Kindern.

Auch Marco Weiland, leitender Notfallseelsorger in Potsdam, liegen Einsätze mit Kindern besonders schwer im Magen. Diese zu verarbeiten hilft ihm vor allem der Glaube. Missionieren will er bei seinen Einsätzen aber nicht. Gebetet wird generell nur selten. „Wir schmeißen nicht mit Bibelsprüchen um uns“, meint auch Baier. Das wäre problematisch, weil viele Brandenburger gar nicht in der Kirche sind. Einmal, so erzählt der Pfarrer, ist er bei einem Einsatz deshalb sogar „rausgeflogen“. Statt Gebetsbuch und Kreuz nutzen die Notfallseelsorger oft Kerzen. Auch Buntstift und Papier stecken in Weilands silbernem Einsatzkoffer – neben dem Helm mit der Aufschrift „Notfallseelsorger“, einem Gesangbuch und dem Namensschild. Viele seiner Fälle lässt Weiland „ganz bewusst nah an mich ran“. Oft braucht er anschließend selbst Hilfe, das Erlebte abzulegen.

Internet:

www.notfallseelsorgebrandenburg.de

Theresa Münch

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