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Potsdam: Der "Kreml" als zukünftige Flüchtlingsunterkunft: Keine drohende Insolvenz
In den alten Landtag am Brauhausberg sollen in der kommenden Woche die ersten Flüchtlinge einziehen. Die AfD warnt, einem dort tätigen Bauträger für Wohnungen drohe der Ruin. Doch der Investor widerspricht.
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Potsdam - Halbwahrheiten zur neuen Flüchtlingsunterkunft im alten Landtag am Brauhausberg verbreitet die Stadtfraktion der rechtspopulistischen AfD. Diese stellte aktuell der Stadtverwaltung eine öffentliche Anfrage – demnach drohe dem Bauträger für am Landtag geplante Eigentumswohnungen „eine außerplanmäßige Insolvenz“. Weiter erklärte die AfD, wegen „Planungsunsicherheiten“ seien von 21 Kaufinteressenten bereits 18 „abgesprungen“.
Böse E-Mails potenzieller Kunden
Doch die Realität sieht anders aus, wie der Investor bei einem Treffen mit den PNN am Dienstag klarmachte. Die Aussage, es drohe eine Insolvenz, sei „stark übertrieben“, sagte Udo Anlauff, Inhaber des zuständigen Bauträgers Expert Immobiliengesellschaft GmbH. Zwar habe es einige potenzielle Kunden gegeben, die „böse E-Mails geschrieben haben und abgesprungen sind“. Dennoch gebe es noch genügend und auch neue Interessenten. „Ich bin sicher, dass wir die Wohnungen in dieser wunderbaren Lage verkaufen können.“ Er glaube, dass die Käufer keine Bedenken haben müssten: „Man wird die Flüchtlingsunterkunft, die ohnehin zeitlich begrenzt ist, nicht mitbekommen.“
Geplant sind zwei Projekte: So sind für das ehemalige Ausflugsrestaurant „Wackermanns Höhe“ auf dem Brauhausberg neun Eigentumswohnungen zwischen 100 und 180 Quadratmetern vorgesehen, die im Internet bereits für 600 000 bis 1,46 Millionen Euro angeboten werden. Für letzteren Preis ist zudem eine Dachterrasse auf der Spitze des ehemaligen Aussichtsturmes des Gebäudes geplant, der Turm wird zu diesem Zweck um eine Etage aufgestockt. Neben dem 1850 errichteten Haus ist ein weiterer Neubau mit sechs Wohnungen in Arbeit – für 90 Quadratmeter-Wohnungen unterschiedlichen Zuschnitts werden Preise zwischen 335 000 und 350 000 Euro aufgerufen. Derzeit sei die Grundsteinlegung für das kommende Jahr geplant, mit einer Bauzeit von einem weiteren Jahr sei ungefähr zu rechnen, so der Investor.
Sanierung könnte verschoben werden
Laut Anlauff – ansässig in Elsterwerda (Elbe-Elster), seit 25 Jahren im Geschäft und Gewinner des brandenburgischen Zukunftspreises 2013 – seien am Brauhausberg bereits 3,8 von geplant 12 Millionen Euro investiert worden. Entgegenkommen von der Stadt wünsche er sich an anderer Stelle – etwa bei nötigen Ausgleichsmaßnahmen für Baumfällungen. Der Grund: Er wolle in Sachen Umweltschutz bereits den unter dem Grundstück „Wackermanns Höhe“ liegenden historischen Brauereikeller – in dem laut Anlauff viele Fledermäuse wohnen – stabilisieren und sei bereit, diesen zum symbolischen Preis an den Naturschutzbund (Nabu) zu verkaufen, der dort weitere Fledertiere ansiedeln könnte. Allein diese Sicherung werde rund 100 000 Euro Kosten. „Hier sollte uns die Stadt entgegenkommen.“
Ebenso könne er sich auch vorstellen, die Sanierung zunächst zu verschieben und das ehemalige Restaurant auch vorübergehend als Flüchtlingsunterkunft herzurichten – rund 60 bis 80 Asylbewerber könnten Platz finden, ist sich Anlauff sicher. „Danach könnten sich unsere Pläne auf diesem Filetgrundstück immer noch umsetzen lassen.“
Bisher niemand abgesprungen
Auch einer der für das Projekt Havelblick zuständigen Vermarkter sagte den PNN, es habe zwar Unsicherheit bei Interessenten gegeben, als die Nutzungspläne bekannt wurden. „Das macht sie Sache zwar etwas schwieriger, aber daran wird es nicht scheitern.“ Bisher sei niemand abgesprungen, zumal durch Aufklärung viele Fragen hätten geklärt werden können. Preisänderungen seien nicht vorgesehen, so der Bauvermarkter.
Die Stadtverwaltung sieht ohnehin keine Handhabe, wenn der Investor tatsächlich Probleme hätte. Es stünden „keine Möglichkeiten zur Verfügung, um Bauträger in diesem Fall oder in ähnlichen Fällen zu unterstützen“, teilte das Sozialdezernat der AfD-Fraktion mit.
Die AfD hatte bei der Kommunalwahl vor einem Jahr 4,5 Prozent der Stimmen geholt, das bedeutet drei Stadtverordnete – die zunächst nicht weiter auffielen. Im März trat der damalige Fraktionschef Lothar Wellmann zurück und wechselte später zum Bürgerbündnis. Er begründete seinen Schritt damals mit den „immer häufigere national-völkischen Aussagen“, speziell aus den ostdeutschen Landesverbänden der Partei.
"Die AfD will verunsichern"
Ohne Wellmann stellt die AfD neuerdings zum Beispiel Anfragen, ob die Stadt eine weiteren Aufnahme von Flüchtlingen verweigern wird, wenn die Möglichkeiten der Unterbringung erschöpft sind. Die Antwort: „Nach jetziger Erkenntnis ist nicht davon auszugehen, dass die Unterbringungsmöglichkeiten in Kürze ausgeschöpft sein könnten.“ Zugleich mokierte sich die AfD darüber, dass die Stadtverwaltung an anderer Stelle schrieb, Enteignungen von Wohn- und Gewerberäumen zugunsten von Flüchtlingsunterkünften seien „derzeit“ nicht geplant. Solche Aussagen seien „besorgniserregend und dürften dem sozialen Frieden in der Landeshauptstadt nicht zuträglich sein“, teilte daraufhin der jetzige Fraktionschef Dennis Hohloch mit. Auf PNN-Anfrage ergänzte er, ein weiteres, bis dato praktiziertes Mittragen der Flüchtlingspolitik der Stadtverwaltung könne nur in „in Erwägung gezogen werden, wenn die Stadt auf jedwede Maßnahmen verzichtet, die zur Enteignung oder Beschlagnahmung von Wohn- und Gewerberaum führen“.
Im Hauptausschuss hat die AfD zuletzt als einzige Partei gegen den alten Landtagsbau als Flüchtlingsunterkunft gestimmt. Kritik am Agieren der AfD übten Linke und SPD, die größten Parteien im Stadtparlament. Linke-Kreischef Sascha Krämer sagte den PNN, mit solchen Falschaussagen würden Ängste bedient, die Gesellschaft gespalten und gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht. SPD- Chef Mike Schubert sagte: „Alle anderen Fraktionen suchen nach Lösungen für das Zusammenleben von Potsdamern und Flüchtlingen, die AfD jedoch will verunsichern.“ Die Potsdamer AfD sei nun genau auf dem Kurs, „mit dem Herr Wellmann seinen Austritt begründete“.
Keine Ängste schüren
Dagegen sagte AfD-Vertreter Hohloch am Dienstagabend auf Anfrage, die Anfrage sei so mit dem Rechtsvertreter des Investors abgesprochen, der sich an die Fraktion gewandt habe. „Wir wollen keine Ängste schüren.“ Udo Anlauff sagte hingegen, sein Unternehmen sei im Zuge einer Beratung von AfD-Seite angesprochen worden – vor allem sei es um seine besagten Bitten auf Entgegenkommen im Zuge des Bauprojekts Havelblicks gegangen. Von einer Insolvenz aber habe er nie gesprochen, betonte Anlauff. Hohloch wiederum sagte zur weiteren Motivation der Anfrage, man habe wissen wollen, wie die Stadtverwaltung in dem Fall handeln würde, falls ein Investor durch den Bau eines Flüchtlingsheims wirtschaftliche Probleme bekomme. Dazu teilte das Sozialdezernat mit: Es stünden „keine Möglichkeiten zur Verfügung, um Bauträger in diesem Fall oder in ähnlichen Fällen zu unterstützen“.
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