
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: „Keine Elitenförderung, Bildungsangebot für alle“
Thomas Falk und Werner Beidinger über Musikklassen an Brandenburger Schulen und deren Unterfinanzierung
Stand:
Erst im vergangenen Jahr sind die Projekte „Pat(s)chWork“ und „Klasse! Musik“ mit zusätzlichem Musikunterricht an ausgewählten Brandenburger Schulen gestartet. Im September werden in Potsdam die Rosa-Luxemburg-Grundschule und die Max-Dortu-Grundschule in dieses Programm aufgenommen. Warum haben Sie trotzdem eine Volksinitiative für mehr musische Bildung in Brandenburg gestartet?
Thomas Falk: Im Jahr 2000 wurde in Brandenburg ein Musikschulgesetz verabschiedet, doch schon nach drei Jahren die dafür eingestellten 3,2 Millionen auf 2,6 Millionen gekürzt. Schon damals hatten wir 135 000 Unterschriften gesammelt. Diese Volksinitiative haben wir jetzt wieder gestartet, da in Zeiten knapper Kassen gern im musischen Bereich gekürzt wird. Wir wollen an die Politiker appellieren, die moralischen Aspekte bei ihren Entscheidungen für Einsparungen genau zu überprüfen.
Wie sieht denn die aktuelle Situation, was den Musikunterricht betrifft, in Brandenburg aus?
Falk: Musikschulen haben sich in Brandenburg und vor allem in Potsdam etabliert. Wir haben über 400 Außenstellen, unsere Schülerzahlen sind in den vergangenen zehn Jahren von 25000 auf 33000 gestiegen. Im ländlichen Bereich übernehmen wir mittlerweile sogar die Aufgaben von Künstleragenturen, damit beispielsweise Sparkasseneröffnungen oder andere Ereignisse überhaupt noch musikalisch umrahmt werden können.
Werner Beidinger: Entgegen der demografischen Tendenz an den allgemein bildenden Schulen, die einen Rückgang der Schülerzahlen von bis zu 50 Prozent verzeichnen müssen, steigen die Schülerzahlen an den Musikschulen.
Warum dann zusätzliche Programme wie „Pat(s)chWork“ und „Klasse! Musik“?
Falk: Wir haben gemerkt, dass wir trotz der steigenden Schülerzahlen nicht immer unbedingt die talentiertesten Kinder finden. Hinzu kommt, dass der zusätzliche Unterricht mit „Pat(s)chWork“ und „Klasse! Musik“ in Brandenburg erstmals unentgeltlich ist, weil das ja im ganz normalen Stundenetat integriert ist. Wir gehen davon aus, dass von „Pat(s)chWork“ und „Klasse! Musik“, egal ob Kinder begabt sind oder nicht, egal ob man es sich leisten kann oder nicht, alle profitieren, da die Kinder hier aufeinander hören und miteinander kommunizieren müssen, also auch soziale Kompetenz vermittelt wird.
Welche Schulen sind für dieses Programm geeignet?
Falk: Das sind ganz normale Grundschulen, die den musischen Bereich am Vormittag ausweiten. Zwei reguläre Musikstunden vormittags und eine fakultative nachmittags im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften oder Orchesterproben.
Beidinger: Natürlich sind auch Bedingungen an die Schulen geknüpft. Die müssen einen ausgebildeten Musiklehrer als sogenannten Tandempartner stellen. Also nicht dass hier nur der Musikfachverband Personal für den Unterricht stellt. Nur so können Qualitätsstandards und -kriterien gesetzt werden.
Wie wird der Unterricht gestaltet?
Beidinger: Das Einsteigerprogramm „Pat(s)chWork“ mit elementaren Musikklassen beginnt mit der 1. Klasse und dauert drei Jahre. Das ist wie eine Art Vorstufe zu „Klasse! Musik“ zu verstehen.
Falk: Mindestens zwei Jahre sollte dann eine Klasse in der Grundschule das Programm „Klasse! Musik“ durchlaufen, also spätestens in der 5. Klasse damit beginnen. Aber die Erfahrung empfiehlt einen Einstieg in der 3. oder 4. Klasse.
Wie viele Schulen gibt es davon in Brandenburg?
Falk: Das ist noch ein Pilotprojekt. Da haben sich 84 Schulen gemeldet, mittlerweile haben wir über 100 Anfragen. Im September sind wir dann mit acht Klassen an acht Schulen gestartet.
Beidinger: Es geht auch um die Widerlegung des Klischees, das Musikschulen sich nur um die Elite kümmern und die, die es sich leisten können. Das ist jetzt ein Bildungsangebot für alle. Und hier darf jetzt nicht gespart werden, sondern muss im Gegenteil investiert werden. Dafür haben wir unter anderem 500 000 Euro aus dem ehemaligen Parteivermögen der SED zur Anschaffung von Musikinstrumenten in Klassensätzen für die allgemeinbildenden Schulen erhalten.
Wo liegt dann aber das Problem?
Falk: Das mit diesem Geld keinerlei Personalkosten für die Lehrkraft vom Musikschulverband abgedeckt werden dürfen. So ist die Frage nach der Bezahlung noch immer offen und es fehlt hier eine dauerhafte Lösung. Denn wenn man als qualifizierter Musiklehrer immer damit rechnen muss, dass der Honorarvertrag nach einem halben Jahr ausläuft und im Krankheitsfall keine Zahlungen erfolgen, ist das kein Zustand, den wir akzeptieren können.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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