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Landeshauptstadt: Keine Rente aus Liebe

Übernimmt die Gattin den Hof, muss sie 62 sein – sonst gibt es keine Altersversorgung für den Landwirt

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Weil die Frau des Potsdamer Bauern Gerhard Neumann zu jung ist, zahlt ihm die Deutsche Rentenversicherung keine Altersversorgung. Das klingt absurd, ist aber bis jetzt so im Sozialgesetzbuch Paragraf 21 verankert. Nach der Rechtsnorm aus dem Jahr 1956 sind selbstständige Bauern und Gärtner nur dann rentenberechtigt, wenn sie Hof oder Betrieb verkaufen, verpachten oder an ihre Nachkommenschaft oder die eigene Ehefrau übertragen; vorausgesetzt, die Gattin ist bei Betriebsübernahme mindestens 62 Jahre alt.

Pech für den 68-jährigen Bauer Neumann, der sich in zweiter Ehe eine Frau nahm, die zwei Jahrzehnte jünger ist als er. Zum Glück beziehe er noch Zuwendungen von seinen Einzahlungen aus DDR-Zeiten, sagt der Betreiber des Bornimer Erntegartens an der Bundesstraße 273 – und seine Gattin gebe auch etwas dazu. Landwirte im Westen seien da viel schlechter dran, meint Neumann. Das Gesetz stamme noch aus einer Zeit der Bauern-Romantik, die so allenfalls in der RTL-Brautschau-Serie „Bauer sucht Frau“, aber nicht in der Realität existiere, sagt der gestandene Landwirt. In den 1950er Jahren habe man mit der Hofabgabepflicht den langfristigen Erhalt von Landwirtschaftsbetrieben und Gärtnereien verankern und vermeiden wollen, dass die Landwirte weit über ihr Rentenalter hinaus arbeiteten. Mit der Klausel sei für die einzahlenden Bauern und Gärtner auch ein Erlass von zehn Prozent gegenüber anderen Renteneinzahlern verbunden gewesen. „Nur: Heutzutage haben die Kinder selten ein Interesse daran, den elterlichen Hof zu übernehmen“, sagt Neumann. Sie würden sich eher den neuen und vielleicht zukunftssichereren Branchen zuwenden. Und Kaufinteressenten für landwirtschaftliche Betriebe stünden nicht gerade Schlange. „Meist muss man sogar noch was drauf zahlen, um den Hof loszuwerden“, erzählt der Bauer, der auch Mitglied im Landesverband für Gartenbau ist. Die Renten-Regelung gehöre deshalb abgeschafft, fordert Neumann.

Einen Vorstoß dazu gab es bereits im Bundesrat. Dort stand Ende Februar die Hofabgaberegelung für Bauern und Inhaber von Gärtnereien auf der Tagesordnung. Allerdings hatten sich die Vertreter der 16 Bundesländer lediglich darauf verständigt, das Mindestalter der den Hof übernehmenden Bauersfrau um zehn Jahre auf 52 herunterzusetzen. „Damit ist nichts gewonnen“, sagt Bauer Neumann. Nachdem Beschluss der Länderkammer hat sich jetzt auch Potsdams Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Cornelia Behm, in die Debatte eingeklinkt. Die Hofaufgabe als Voraussetzung für eine Altersrente sei nicht mehr zeitgemäß, findet Behm. Darüber könne auch das Votum des Bundesrates nicht hinwegtäuschen, den Landwirten einen Rentenbezug bei einer Hofabgabe an bis zu zehn Jahre jüngere Ehegattinnen zu ermöglichen, so die Bündnisgrüne. Sie nennt es einen „Skandal“, dass Landwirte Jahrzehnte Beiträge zahlten und dann keine Rente bekämen, weil sie die „falsche“ Partnerin geheiratet hätten. Deshalb spreche sie sich für die Abschaffung der Hofabgabeklausel aus. Sollte aber die Bundesregierung „unbedingt“ an dieser Regelung festhalten wollen, dann sollte sie wenigstens die Hofabgabe an Ehegatten „grundsätzlich ermöglichen“, so Behm.

Trotz der Gesetzeslage, die Bauer Neumann um einen Teil seiner Altersrente bringt, hat er seine Brautwahl bis heute nicht bereut. „Das geschah aus Liebe“, sagt er, „nicht aus Berechnung.“

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